Ich lege Rosen auf mein Grab
und schrieb die nächste seiner Hypothesen nieder, denn von nichts kam nichts, und irgendwo mußte es doch einen Grund für seine miese Situation geben, irgendwer und irgendwas mußte Ursache sein, die Schuld daran tragen. Und der Große Manitou, war der nicht in Bramme gewesen, in dieser JVA hier aufgetreten…
Variante 8
Bonn, eine Villa zwischen dem Museum König und dem Auswärtigen Amt, geheimer Treffpunkt aller jener Männer und Frauen, die, durch ungewisse, aber systemübliche Mechanismen nach oben gespült, nun plötzlich aufgerufen waren, über das Wohl und Wehe Millionen anderer Menschen eine Entscheidung zu fällen oder aber, noch viel folgenschwerer, für die gewinnträchtigste Plazierung erbeuteter Bundesmillionen oder abgeschöpfter Lohnmehrwerte Sorge zu tragen; Anlaufstelle jener auch, die nicht wußten, aufweiche Art und Weise sie in Sport- und Showgeschäft die höheren Mächte gnädig stimmen konnten, was gut war und was nicht, karrieremäßig. Zur letzteren Klientel gehörte auch der Manitou, der Große Manitou, ein gerade eben kometenhaft nach oben gekommener Sänger des internationalen Rock und Pop, erhoffte sich von der Großfürstin der Chiromantie nichts weniger als präzise Angaben darüber, wen und was er in der Zukunft streng zu meiden habe, denn…
«…immer wieder höre ich Stimmen, die mir sagen, daß eines Tages ein Mann mit einem Messer auf mich zustürzen und mich erstechen wird. In Bramme war es zwar ein Schuß, aber ich weiß, daß es letztendlich ein Messer sein wird, das mir…»
Die Grand Old Lady zog seine rechte Hand zu sich hinüber und vertiefte sich minutenlang in Kopf-, Herz-, Merkur- und Sonnenlinie, während er in einer danebenliegenden Zeitung seine neueste LP (An der Biegung des Flusses) überaus positiv, fast enthusiastisch besprochen und bewertet fand (das in den völlig unabhängigen und nur ästhetischen Maßstäben verpflichteten Mann investierte Kapital hatte sich also gelohnt, auch daß der zwei seiner nächsten Singles texten durfte).
«… beginnt idyllisch-naiv mit dem Jagen der Mustangs über die Prärie, doch dann ist es plötzlich vorbei mit aller Romantik, und der Große Manitou vermittelt uns in seinen komplizierten, intellektuell verspielten Stücken alles vom heroischen Kämpfen und Sterben der Sioux und Apachen. Beatles-Harmonien explodieren plötzlich zu überspannten Psychedelic-Klängen, die ebenso abrupt in coolem Piano-Spiel enden. Die Sieger sitzen in den Western-Bars, alles geht in lockere Swinggrooves über. Großer Manitou, große Klasse!»
Manfred Tuschinski, vom Berliner Obdachlosenheim zur Weltkarriere gestartet, eine sagenhafte Band und viel PR, Wirbel um die Frage, woher denn nun das Manitou käme, von der Liebe zum Indianertum (a), von Manne Tuschinski (b) oder aber daher (c), daß sie zweimal Manfred in der Gruppe waren, einmal er, der Gitarrist und Sänger, und dann auch noch ein anderer, ihr Elektronikspezialist, sie also Manni One und Manni Two waren?
Bei aller Euphorie, allen rauschenden Erfolgen und tobenden Arenen: immer war da auch die Angst, die innere Stimme, daß es einen Menschen gab, einen ganz bestimmten, vom Schicksal längst dazu herausgepickten, der ihn ermorden würde. Wer war das aber, um Gottes willen, wer…!?
Die große Dame der Chiromantie sprach nun leise und mit geschlossenen Augen.
«… die Saturnlinie ist schwach und schlecht gezeichnet… Das läßt auf Schwierigkeiten und Sorgen schließen… Das Fremde bricht in deine Welt, es überwältigt dich…!»
«Wer wird es sein, wer!?» Wie ein Schrei kam diese Frage.
Die Fürstin sah sich noch einmal die sieben Handabdrücke an, die Manitou ihr eben mitgebracht hatte, Produkte eines Partyspiels, seinen Freunden beim letzten Treffen abgeluchst, ohne Zweckangabe selbstverständlich.
Lange überlegte sie, prüfte und verwarf, bis plötzlich jener Funke in ihr zündete, der es ihr erlaubte, den ehernen Vorhang der kausallogischen Gesetze, des rein Stofflichen zur Seite zu reißen und auf jene Bühne zu schauen, auf der die alles gestaltenden Mächte schon längst die Zukunft inszeniert hatten.
«… dieser linienlose, aber starke Mondberg hier, der zeigt, daß sich im Unbewußten eine überstarke Ballung angesammelt hat, die bald eine plötzliche Entladung suchen wird. Dieser Mann hier, der wird Sie umbringen wollen!» Sie zog einen der Handabdrücke hervor.
Es war Jens-Otto Jossa.
Von Stund an war es Manfred-Manitou klar, daß er
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