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Ich lege Rosen auf mein Grab

Titel: Ich lege Rosen auf mein Grab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Horst Bosetzky , -ky
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unmöglich Martin sein…!?›
    Spätestens morgen mittag war er wieder frei, konnte nach Bramme zurück, hatte seine Riesenstory: Spiegel und stern, III nach 9, bei allen Sendern per Telefon im Morgenmagazin, Anruf auf Anruf: «Wenn wir die Filmrechte kriegen, können Sie sich selber Ihr Drehbuch schreiben!»
    Das war der Durchbruch, endlich.
    Sie trabten die stollengleichen Flure entlang, stiegen diverse Treppen hinab, hatten viele Gittertore zu passieren.
    «Hautkontakt ja», sagte Kassau, «aber wenn sie dir einen runterholen will, dann fliegt sie raus. Capito?»
    «Ja…» sagte Jossa.
    Nein, er wollte nicht zurück ins Jossa-Land, so sehr es auch nach Kohle roch, nicht wieder dieselbe Scheiße von vorn. Mugalle war ein neuer Kontinent, da wollte er siedeln. Nichts war für ein Leben lohnender als diese Stimmung: aufzubrechen in eine Welt und Zeit, wo sich die Dinge neu gestalten ließen.
    Und nun führten Zufall, Schicksal oder was auch immer diese Frau hierher, diese alte sentimentale Tucke heute nach Brammermoor, auf daß alles wieder den Bach runterging; Scheiße! Mugalle-Land, die lockende Küste, nur ein paar Felsen davor. Er fährt im Ruderboot dem weißen Strand entgegen. ‹Hallo, gelobtes Land! Letzte Hoffnung für mich; ich komme!› Da packt ihn eine Bö, zerschmettert sein Schiff, treibt ihn eine starke Strömung weit aufs Meer hinaus.
    ‹Wenn ich meinen ersten Mord begehe, dann bist du das!› stieß er hervor.
    Kassau fuhr herum. «Meinste mich!?»
    «Nein, nein, um Gottes willen! Die Frau da, die mich…»
    «Dann werd ich mal schön aufpassen auf euch…!»
    Ein paar Schritte noch.
    Der Besucherraum war karger, trister als ein Wartesaal der allerletzten Klasse. Sperrmüllstühle und -tische, die Wände ockergelb und braun gehalten. An einem schmalen Tischchen hockte man sich gegenüber, hatte laut zu sprechen, damit die Wärter alles mithören konnten, mußte höllisch aufpassen, nicht in die Abteilung mit den Trennscheiben dazwischen zu kommen, es also vermeiden, sich etwas zuzustecken. Ringsum saßen andere Pärchen, Familien auch mit Kindern dabei.
    Er verfluchte sie und war zugleich in hohem Maße gespannt darauf, sie kennenzulernen. Er hatte dies nie miterlebt, aber so stellte er sich immer den Weihnachtsabend vor: Die Kinder warten auf das Glöckchen, die Bescherung beginnt.
    Es roch derart nach Bohnerwachs, daß er heftig husten mußte.
    Eva…
    Wo hatte sie gesessen? An der Fenster- oder an der Bankseite? Wer war ihr Klassenlehrer gewesen? Wie der Name des Primus? Wie der ihrer Schule?
    Wußte er natürlich nicht, und darum konnte das Schauspiel kaum länger als Sekunden dauern.
    Dann würde diese fette alte Henne, die auf freier Wildbahn keinen Mann mehr abbekam, zu Zweeloo rennen und zur Polizei, und alles würde seinen Fortgang nehmen, denn ein Rechtsstaat waren wir schließlich.
    Nun denn!
    Ihm war, als würden sie ihn eben zu seiner Hinrichtung führen.
    Feuer frei. Und Ende.
    Da waren sie am Besucherzentrum angekommen, Kassau zog die schwere Tür nach außen.
    Jossa sah eine dicke bäuerisch-biedere Frau und wußte: Gott, das ist sie! Ging auf sie zu, der Posse schnell ein Ende zu machen.
    «Nein!» schrie Kassau, ihn korrigierend. «Die am Tisch da in der Ecke!»
    Da erstarrte er. Die Frau dort war so elegant gekleidet wie eine Fernsehsprecherin, damenhaft, aber keine Spur zickig oder aufgedonnert, groß, dunkelblond, und eher eine Spur zu mollig als zu schlank.
    Das gab’s doch nicht!
    Und da brach auch der Reporter wieder in ihm durch: ‹Ich werd wahnsinnig!› schrie Jens-Otto Jossa, als er die Haftentschädigung sah, die das Schicksal ihm da plötzlich zuerkannt hatte.
    Sie trug ein Ensemble aus weichem Velourleder, pink- beziehungsweise himbeerfarben, genau hätte er das nicht zuordnen können, mit leicht tailliertem Blazer und einem engen Rock mit Gehschlitz hinten.
    Eine Stewardeß, so seine erste Gedankenverbindung, dies Lächeln, doch viel weicher und viel wärmer, nur für ihn bestimmt.
    Doch was ihn am meisten faszinierte und erstaunte, war das Gefühl, das sie in ihm ausgelöst hatte, dieses Gefühl einer unendlichen Vertrautheit. Wir kennen uns schon ewig, wir wissen voneinander alles.
    Scheiße, Kitsch und Klischee, das gab’s doch nicht! Die Welt war keine Seifenoper!
    Sie musterte ihn aufmerksam und überaus kritisch, war unglaublich angespannt und dennoch verhalten. Schläfrige Katze und zugleich Geschäftsfrau auch, kühl und unbestechlich.
    Wie auf den Knall

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