Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
eiskalt.
Ich kuschele mich wieder unter die Bettdecke und höre fünf Minuten später, wie Ingo die Wohnungstür öffnet und wieder schließt. Sehr gut. Dann kann ich jetzt wenigstens noch ein bisschen schlafen.
Aber leider wird daraus nichts. Weil ich, ohne dass ich dagegen etwas tun kann, jetzt tatsächlich über das nachdenken muss, was Ingo gesagt hat. Es stimmt schon: Mich in Ingo zu verlieben wäre eigentlich das Schlaueste, was ich tun könnte. Schließlich weiß ich bei ihm ganz genau, dass er ein feiner Kerl ist und wir tatsächlich perfekt zueinander passen. Wir haben dieselben Vorlieben und Abneigungen, einen ähnlichen Geschmack und wollen beide mal Familie. Wir lieben alte Hollywoodschinken und nehmen im Kino beide immer nur gesalzenes Popcorn. Er kocht gern, ich liebe Essen, das passt also auch. Ich könnte noch ewig weitermachen, es gibt kaum Punkte, in denen Ingo und ich uns nicht einig wären. Okay, unser Klamottengeschmack ist etwas anders, aber das ist ja wirklich kein Drama.
Seufzend wälze ich mich im Bett hin und her. Ja, es wäre praktisch. Aber das wäre auch schon alles. Was ist mit meinen Sehnsüchten? Meinen Wünschen? Meinen Träumen? Ich will doch einen Mann, der mich einfach umhaut, bei dem der Blitz einschlägt und bei dem ich Schmetterlinge im Bauch habe. Das ist doch nicht das Gleiche, wie wenn man aus einer reinen Kopfentscheidung heraus einen nimmt, der gut für mich wäre. Nein, das würde nicht klappen, dafür kenne ich mich zu gut.
Und was sollte bei so einer Therapie schon groß passieren? Wir sitzen ein bisschen bei Tante Ilse und reden mit ihr. Das haben wir schon oft gemacht, aber deshalb habe ich mich trotzdem nicht in Ingo verliebt. Warum sollte das jetzt anders ein? Ilse verfügt schließlich, soweit ich weiß, nicht über magische Kräfte. Und die Magie des ersten Augenblicks, den Zauber einer neuen Begegnung, den Moment, in dem Amors Pfeil mitten ins eigene Herz trifft – das ist es, was ich will. Wie in einem Hollywoodfilm, wenn der Junge sein Mädchen kriegt und sie für immer und alle Zeit glücklich werden. Zu Kompromissen bin ich da nicht bereit.
Ich ziehe mir mit einem energischen Ruck die Bettdecke über den Kopf. Jetzt will ich schlafen. Und nicht mehr an diesen Unsinn denken.
Notiz an mich selbst:
Liebe ist ein Gefühl.
Und keine Rechenaufgabe!
Dienstagnachmittag – den geplanten Spaziergang vom Vortag hat Ingo, meiner Meinung nach aufgrund akutem Beleidigtsein, per SMS abgesagt – höre ich das erste Mal seit seinem frühmorgendlichen Auftritt wieder etwas von meinem besten Freund. Luzie und ich sind gerade dabei, die Ostereier von sämtlichen Sträußen im Laden abzunehmen, da öffnet sich die Tür, und Ingo kommt herein.
»Na?«, begrüße ich ihn. »Wieder bei Sinnen?«
Er grinst breit. »Ich habe gerade mit Tante Ilse telefoniert.«
»Und geht’s der mental auch schon wieder besser?«, witzele ich.
»Das kann man wohl sagen.« Er wirft mir einen triumphierenden Blick zu, irgendwas ist offenbar passiert.
»Du siehst ja so gut gelaunt aus«, stellt nun auch Luzie fest.
»Das kann man wohl sagen«, wiederholt er. »Ilse hat die Idee zu dem Buch von ihrer Agentur bei ein paar Verlagen anbieten lassen. Es gab sofort, nur eine Stunde später, eine Auktion. Die Verlage haben sich gegenseitig überboten.«
»Aha«, meine ich. »Und was gibt’s? Tausend Euro?«
»Nicht ganz«, erwidert Ingo. Wusste ich doch, dass niemand bereit ist, für diesen Quatsch richtig Geld auf den Tisch zu legen. »Das letzte Gebot lautet: hunderttausend Euro.«
Rumms. Luzie ist mit dem Buchsbäumchen, an dem sie sich festhalten wollte, umgefallen.
Notiz an mich selbst:
Blumenladen sofort aufgeben
und anfangen, seltsame Bücher
zu schreiben.
4. Kapitel
»Carla! Hunderttausend Euro! Das sind für jeden von uns über dreiunddreißigtausend Euro!« Ingo wirkt mehr als fassungslos, als ich ihm mitteile, dass ich trotzdem nicht interessiert bin.
»Ich kann rechnen. Aber ich will trotzdem nicht.«
»Dann mach ich mit«, schaltet sich Luzie ein, die mittlerweile wieder auf beiden Füßen steht. Ich werfe ihr einen überraschten Blick zu.
»Aber du hast doch Matze!«, empöre ich mich.
»Es ist eine Menge Geld«, erwidert sie lapidar. So viel zur Chefesoterikerin Luzie und ihrem Karma- und Fatalismusgelaber. Kaum wedelt jemand mit den Scheinen, pfeift sie auf ihre Prinzipien. »Und außerdem«, fügt sie hinzu, »glaube ich eh nicht, dass das
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