Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
Laden stehen und hänge meinen Gedanken nach, dann gehe ich nach hinten zu Luzie.
»Ich halte das ja für einen Fehler«, stellt sie fest, kaum dass ich durch den Vorhang gekommen bin.
»Kannst du von mir aus gern tun«, erwidere ich etwas schnippisch.
»Ich verstehe einfach nicht, was du zu verlieren hast! Du hast keinen Partner, du magst Ingo, es gäbe jede Menge Kohle – wo ist eigentlich das Problem?«
Ich antworte ihr nicht. Habe keine Lust, mich wieder und wieder zu rechtfertigen. Darf ich, bitteschön, mein Leben einfach so leben, wie ich es für richtig halte?
Ich glaube, Ingo ist beleidigt. Ganz sicher ist er das, denn eine Woche nachdem er im Laden war, hat er sich noch immer nicht bei mir gemeldet. Gut, ich könnte ihn auch anrufen, aber da bin ich nun mal stur. Wenn er es mir übel nimmt, dass ich seinen Vorschlag abgelehnt habe – bitte, soll er doch! Typisch Lehrer: Geht immer davon aus, dass alle machen, was er sagt. Sonst gibt’s einen Eintrag ins Klassenbuch.
»Habt Ihr eigentlich was von Ingo gehört?«, frage ich am Dienstagabend meine Eltern, weil es mich doch irgendwie wurmt, dass er so komplett auf Tauchstation gegangen ist. Sie haben mich zum Essen eingeladen: leckere Senfeier, mein Leib- und Magengericht, das mein Vater extra gekocht hat.
»Wieso?«, fragt meine Mutter, während sie mir einen dampfenden Teller hinstellt.
»Einfach nur so«, sage ich.
Meine Mutter lacht, und auch mein Vater, der gerade seine Kochschürze auszieht und an den Haken neben dem Kühlschrank hängt, gibt einen brummenden Laut von sich.
»Carla, wenn du uns nach deinem besten Freund fragst, mit dem du normalerweise rund um die Uhr zusammenhängst – dann ist doch wohl klar, dass irgendetwas nicht stimmt.« Okay, das klingt logisch.
»Na ja«, gebe ich zu, »wir hatten eine Art … kleine Auseinandersetzung, und seitdem habe ich nicht mehr mit ihm gesprochen.
»Dann ruf ihn doch an«, schlägt mein Vater vor und setzt sich zu uns an den Küchentisch.
»Das will ich irgendwie auch nicht.«
»Worüber habt ihr euch denn gestritten?«, erkundigt sich meine Mutter.
»Mag ich jetzt nicht so gern erzählen.«
Dazu sagen meine Eltern nichts mehr, sondern fangen an, ihre Senfeier zu essen.
»Schmeckt wie immer großartig«, lobe ich meinen Vater.
»Danke.«
»Habt Ihr die eigentlich auch in der Stuuv auf der Speisekarte?«, frage ich, um ein unverbindliches Gespräch zu beginnen.
»Aber sicher doch«, bestätigt mein Vater, »die Leute lieben sie.«
»Kein Wunder, die sind ja auch superlecker.« Dann verebbt die Konversation wieder, und wir essen schweigend weiter. Als wir fertig sind, legt mein Vater sein Besteck hin und sieht mich relativ ernst an.
»Carla«, beginnt er und räuspert sich dann.
»Ja?«
»Deine Mutter und ich, wir wollten etwas mit dir besprechen.«
»Oh, das klingt jetzt aber wichtig.«
»Ist es auch.« So kenne ich ihn gar nicht, normalerweise ist mein Vater rund um die Uhr zum Scherzen aufgelegt.
»Jetzt machst du mir aber Angst.«
»Nein, so dramatisch ist es nicht«, beruhigt mich meine Mutter.
»Ein bisschen aber doch«, fügt mein Vater hinzu.
»Dann macht es bitte nicht so spannend, sondern rückt endlich raus mit der Sprache!«
»Also«, fängt mein Vater an, »du kennst doch Alfred Meister.«
Ich nicke. »Den Veterinär vom Ordnungsamt, oder?«
»Genau. Tja, Alfred ist vor zwei Monaten in Rente gegangen. Hat sich mit seiner Frau ein Häuschen auf Fuerteventura gekauft und liegt da jetzt in der Sonne.«
Ich verstehe immer noch nicht so ganz, worauf mein Vater hinauswill.
»Vorletzte Woche war sein Nachfolger bei uns. Ein gewisser Thorsten Hampel.« Papa macht eine Pause. Soll ich den kennen, oder was?
»Noch nie gehört«, meine ich.
Mein Vater lacht auf. »Da kannst du von Glück reden! Herr Hampel gehört nämlich offenbar zur ganz ehrgeizigen Sorte. Hat unseren Laden auf links gedreht und alle möglichen Kleinigkeiten angemerkt. Alles in Allem nicht so schlimm…bis auf eine Sache. Wir haben nur ein Personal-WC.«
»Ihr seid ja auch nur acht Leute«, merke ich an.
»Das ist schon richtig. Aber wir sind sowohl Männer als auch Frauen. Und das Ordnungsamt schreibt vor, dass wir in diesem Fall zwei getrennte Toiletten brauchen.«
»Wusste Alfred das nicht?«
»Na ja, wir sind halt alte Kumpel, da hat er es nicht so genau genommen.«
»Verstehe«, meine ich. »Und Thorsten Hampel nimmt es genau.«
»Richtig. Und deshalb müssen wir in den nächsten drei
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