Ich lieb dich, ich lieb dich nicht (German Edition)
es eine Verbindung herstellen kann.
»Bist du bescheuert?« Er blitzt mich böse an. »Gib mir sofort mein Handy zurück!«
»Ingo«, sage ich nun deutlich ruhiger. Es nützt nichts, der heilsame Schock muss her. »Andrea hat einen anderen.«
»Was?« Er starrt mich ungläubig an.
»Du hast richtig gehört. Luzie hat sie mit ihm gesehen.«
»Das ist nicht wahr.«
»Doch, das ist es.«
»Scheiße!«, flucht er. »Ich wusste, ich hätte nicht auf dich hören und mich tot stellen sollen. Jetzt ist es zu spät! Hätte ich sie doch schon früher mal angerufen oder wäre zu ihr gefahren, dann hätte sie den anderen erst gar nicht kennengelernt, dann hätten wir …«
»Ingo«, unterbreche ich seinen leicht manischen Monolog. »Luzie hat Andrea vor zwei Monaten mit dem anderen gesehen. Zwei Tage nachdem sie mit dir Schluss gemacht hatte.«
Ingos Gesichtsfarbe wechselt in einer Sekunde von wütendem Rot in erschrockenes Kalkweiß. »Oh.« Mehr sagt er nicht. Dann dreht er sich einfach um und geht ins Restaurant zurück.
Das restliche Osteressen verläuft ohne weitere Zwischenfälle. Zwar sieht Ingo noch immer nicht wesentlich froher aus, aber er erwähnt Andrea mit keiner Silbe mehr. Nachdem wir noch Kaffee und Kuchen zu uns genommen habe, verabschiede ich mich nach Hause auf mein Sofa und frage Ingo draußen auf dem Parkplatz, ob er noch mit zu mir kommen will. In dem Zustand möchte ich ihn wirklich nicht allein lassen, obwohl mir nach dem Fressgelage eigentlich eher nach einem Nickerchen wäre. »Lieb von dir, aber es geht schon«, lehnt er mein Angebot ab. »Ich fahre noch mit zu Tante Ilse.«
»Ist da wieder was zu reparieren?«
»Das auch«, meint er. Kryptische Antwort, muss ich wohl nicht verstehen.
»Okay. Aber wenn’s dir nicht gut geht, ruf an. Oder komm einfach vorbei.«
»Mach ich. Und morgen können wir dann ja zur Strandperle spazieren. Wetter soll ja wieder super werden.«
»Wann kommst du?«
»Denke, so gegen zwei.«
»Alles klar, dann halte ich mich bereit.«
Meine Eltern, Ilse, Ingo und ich verabschieden uns mit Küsschen, dann gehe ich zu meinem Corsa und tuckere nach Hause.
Als ich abends mit Luzie telefoniere und ihr erzähle, dass ich Ingo die Wahrheit gesagt habe und er es eigentlich ganz gut verkraftet hat, lässt sie es sich natürlich nicht nehmen, darauf hinzuweisen, dass sie das ja von Anfang an gesagt hat. Ja, hat sie. Aber da konnte ich ja auch noch nicht ahnen, wie sehr sich das hinziehen würde! Um neun Uhr falle ich todmüde ins Bett und genieße es, morgen mal richtig lange ausschlafen zu können. Herrlich! Ein Montag, an dem ich nicht zum Großmarkt muss, das ist doch mal eine feine Sache!
Dingdong. In meinem Traum haut irgendjemand auf einen Gong. Und zwar immer wieder. Dingdong. Und immer schneller hintereinander. Dingdongdingdongdingdong. Kann das mal bitte aufhören? Kann es nicht, wie ich feststelle, als ich aus den tiefen Nebeln meines Schlafes auftauche. Denn das Dingdong ist gar nicht in meinem Traum. Es ist an meiner Tür. Verschlafen blinzele ich nach meinem Nachttischwecker. 6.43 Uhr? Das soll ja wohl ein Witz sein! Welcher Idiot klingelt mich am Ostermontag mitten in der Nacht aus dem Bett?! Dingdong. Ich ziehe mir das Kissen über den Kopf, will einfach nur weiterschlafen. Dingdong. Nützt nichts, die Klingel ist zu penetrant. So ein Mist aber auch! Wütend stehe ich auf und gehe so, wie ich bin (in einem rosafarbenen Peanuts-Pyjama) zur Tür. Reiße sie auf, um dem Störenfried gehörig die Meinung zu geigen – und blicke in das Gesicht eines offensichtlich bestens gelaunten Ingo.
»Bist du irre?«, fahre ich ihn an. »Hast du mal auf die Uhr geguckt?«
»Ja, sorry, tut mir leid. Aber ich konnte nicht warten.«
»Was willst du hier um diese Zeit? Die Strandperle hat noch gar nicht auf!«
»Ich muss mit dir reden«, stellt er nur fest und ist im nächsten Moment auch schon bei mir im Flur.
»Ist was mit Andrea?«, frage ich erschrocken, als ich ihm in mein Wohnzimmer folge. Klar, da hätte ich doch sofort drauf kommen müssen! Nachdem ich ihm alles erzählt habe, hat er bestimmt irgendeinen Unsinn angestellt. Hoffentlich nichts, wofür Andrea ihn verklagen kann.
»Nein«, erwidert er zu meiner großen Überraschung und lässt sich grinsend aufs Sofa plumpsen.
»Nein?«
»Nein«, wiederholt er noch einmal. »Andrea ist nicht mehr wichtig.«
»Aha.« Das ging wirklich schnell. Für so heilsam hätte ich den Schock nicht gehalten.
Notiz
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