Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
helfen, nichts würde helfen. Auch der Alkohol nicht, den sie jetzt in sich hineinsog. Das einzig Gute war, dass sie nachher umfallen und in einen traumlosen Tiefschlaf versinken würde. Das baute sie auf.
Als ihr Handy eine SMS vermeldete, hatte sie das Glas bereits ausgetrunken und alle Kartoffelchips aufgegessen, die der Barmixer ihr hingestellt hatte. Gin-Wodka schmeckte scheußlich, fand sie und bestellte einen doppelten Whiskey-Wodka, bevor sie nach ihrem Handy griff.
»Wo bist du denn? Ich dachte, wir könnten gemeinsam etwas trinken, und ich stelle dir meine neue Flamme vor.«
Also hatte sie nichts gesagt, die gute Cindy.
»Ich trinke schon«, simste sie zurück.
»Bist du allein oder mit Lover? Wollen wir heute Abend zu viert ausgehen? Könnte doch lustig werden.«
Wie naiv kann der Mann eigentlich sein? Unter den besorgten Augen des Barkeepers nahm sie einen tiefen Schluck Whiskey-Wodka und eine Handvoll Erdnüsse, die er ihr in einer hölzernen Schale zugeschoben hatte, dann schrieb sie zurück: »Ich hab’s hier recht lustig, mag mein Glück im Moment nicht teilen.«
»Auch gut«, kam es gleich darauf, »und was für ein lustiger Zufall. Und nur weil mein Wagen zugeparkt war, sonst wären wir heute auf die andere Seite der Insel gefahren.«
Ein wahrlich lustiger Zufall, dachte Liane und trank das Glas aus. »Eines davon geht aufs Haus«, klärte sie den Barkeeper auf, »den Rest bitte auf die Bungalownummer 17.« Sie kramte fünf Euro heraus und legte sie auf den Tresen. Wer wusste schon, wofür ein bisschen Großzügigkeit noch gut sein würde.
Sie hatte außer Nüssen und Chips noch nichts im Magen und spürte, wie sich eine wohlige innere Wärme ausbreitete. Prima, dachte sie, jetzt ist Zeit für einen Mittagsschlaf. Im Zimmer schluckte sie zur Vorsicht noch eine der Schlaftabletten, die sie für Langzeitflüge stets in ihrer Handtasche hatte, schaltete den hölzernen Deckenventilator über ihrem Bett ein und ließ sich auf das weiße Laken sinken. Gleich darauf stand sie wieder auf, zog die orange-rot gemusterten Vorhänge zu und streifte ihre Kleider ab. Und jetzt wollte sie Ruhe vor der Menschheit haben, vor allem aber vor Marius und Cindy.
Als sie wieder aufwachte, hatte sie einige Mühe, sich zurechtzufinden. Ein Blick auf die Uhr verriet ihr, dass es nach neun war. Sie hatte also gut fünf Stunden geschlafen. Jetzt würde sie sich ins Leben stürzen und die Bilder in ihrem Kopf verdrängen. Halb war es ihr schon gelungen. Vor allem weil der Kopf unheimlich dröhnte und erst gar keine klaren Gedanken zuließ. Wahrscheinlich bin ich auch nicht fahrtüchtig, dachte sie und rief über die Rezeption ein Taxi. Ein Taxi ins pralle Leben, erklärte sie der Rezeptionistin, egal, wo das stattfinde. »Dann jedenfalls die Altstadt, ich werde dem Taxifahrer La Marina angeben, dort finden Sie alles, was Sie sich vorstellen oder nicht vorstellen können.«
Liane nickte nur still vor sich hin. Im Moment hatte sie sowieso keine allzu große Vorstellungskraft, Hauptsache, sie wurde abgelenkt.
In zwanzig Minuten sei das Taxi da, sagte die Rezeptionistin.
Was zieht man überhaupt an für eine Nacht auf Ibiza? Sicherlich war sie in Jeans und weißer Bluse eher konservativ, aber sie war ja nicht auf Beute aus, sondern suchte nur nach Zerstreuung. Und was, wenn sie im Getümmel des Nachtlebens wieder auf Marius und Cindy stoßen würde? Den Gedanken schlug sie sich sofort aus dem Kopf. Bestimmt war das Partyleben in Ibiza-Stadt ein Massenauftrieb mit viel bloßer Haut, einzelne Leute gingen da sicher in der Menge unter. Umso besser.
Kaum ausgestiegen, fand sie sich in einem turbulenten Miteinander von Menschen, die fröhlich durch die engen Gassen der Altstadt zogen, manche so extrem schrill aufgemacht, dass Liane sich zusammenreißen musste, um sie nicht anzustarren. Ob in Leder oder Tuch, Hauptsache Phantasie, und offensichtlich war das der Ort, an dem man all seine Wünsche und Bedürfnisse ausleben konnte. Über ihr die gewaltigen Stadtmauern der Altstadt, vor ihr ein Karneval, mit dem die Fasnet in Konstanz nicht mithalten konnte. Aber vielleicht lag es auch nur am Wetter, dachte sie, im Februar sah es hier bestimmt auch anders aus. Gerade bahnte sich eine besonders schrille Gruppe den Weg durch die Touristen, und beim Näherkommen erkannte Liane, dass es ein Werbeumzug für einen Nachtclub war. Welch ein Aufwand, dachte sie, farbenprächtig wie in Rio.
Liane suchte sich eine Bar, um das Treiben
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