Ich liebe dich, aber nicht heute: Roman (Piper Taschenbuch) (German Edition)
über ihr eine warme Nacht, die jedes Kleidungsstück überflüssig machte. Eigentlich wie die Brandung im Meer, dachte Liane. Und es hätte sie auch nicht weiter verwundert, wenn sie alle nackt unterwegs gewesen wären, bei manchen war es knapp davor. Liane blieb vor einem Tattooshop stehen und sah eine Weile zu, wie sich eine junge Frau eine kunstvolle Verzierung um ihren schlanken Oberarm tätowieren ließ. Von dort schlenderte sie zu einem Schmuckgeschäft, das wirklich schöne Halsketten hatte, originell und ausgefallen, aus Silber, mit Edelsteinen besetzt, sodass sie kurz mit sich rang, aber schließlich doch weiterging. Im nächsten Geschäft kaufte sie sich ein weißes Kleid. Einfach so, impulsiv, ohne groß zu überlegen. Dabei war es bei genauer Betrachtung gar kein Kleid, sondern eine leichte weiße Tunika mit einem Ausschnitt, der reich mit Silber eingefasst und sehr tief war. Sie behielt sie gleich an, fand noch ein paar passende Sandalen mit Silberbesatz dazu und ließ Jeans, Bluse und Sneakers in eine Tüte packen. So, jetzt fehlte noch ein schöner Silberschmuck um das Handgelenk, und die Nacht konnte losgehen. Vielleicht fand sie noch einen Laden mit Modeschmuck. Es musste ja nur ein bisschen glitzern. Sie dachte an den Herrn von vorhin, der ihr zugeprostet hatte. Ob er sie jetzt noch wiedererkennen würde?
Die Musik, die sie gehört hatte, kam tatsächlich von einer Liveband. Sie stand auf einer Bühne vor der Stadtmauer, und vor ihr bewegten sich die Zuhörer im Rhythmus der Musik. Liane sah sich um. Nicht weit von ihr entfernt erkannte sie in der Dunkelheit einer Einfahrt einen Mauervorsprung, der einen knappen Meter hoch war. Das war eine gute Position, um die Band besser sehen zu können, und sie kletterte hinauf. Gerade spielten sie Joe Cockers Unchain My Heart , als sich ein groß gewachsener Mann näherte und zu ihr hochschaute. In der einen Hand trug er ein großes Wasserglas, in der anderen eine Zigarette. Er sagte etwas zu ihr, aber Liane beschloss, ihn zu ignorieren. Selbst wenn er vorher da gestanden haben sollte, jetzt war sie da, basta! »Man sollte sein Nest eben nicht aus den Augen lassen«, sagte er und lächelte ihr zu. Ein Deutscher! Etwa so alt wie sie, schätzte Liane, und nicht der Typ, der allein durchs Leben ging. Sicher war seine Beauty gleich in der Nähe.
»Hatten Sie reserviert?«
»Ja, schon gestern!«
Er lachte, und sein Lachen war offen, ohne eine Spur von Ärger über den verlorenen Logenplatz. Liane überließ sich wieder der Musik und wiegte sich wie alle anderen im Takt. Die Gruppe, fünf Musiker, hatten ihre Zuhörer im Griff. Ob italienische Lovesongs, französische Balladen oder englischer Hardrock, es wurden immer mehr Menschen, und alle gingen mit. Völlig friedlich, das gefiel Liane daran am besten. Keine Rempeleien, keine Aggressionen, es war ein multikulturelles Publikum, das da friedlich Party unter freiem Himmel feierte. Und dann kam ein deutsches Lied, Liane konnte es kaum glauben: Brenna tuats guat von Hubert von Goisern. Und dabei so täuschend echt nachgesungen und mit einer steirischen Harmonika nachgespielt, dass sie dem Mann, dem sie den Platz geklaut hatte und der im Gedränge unterzugehen drohte, gern Platz machte.
»Das geht auch zu zweit«, sagte sie einfach und trat einen Schritt nach vorn an die Kante. Er war mit einem Satz hinter ihr.
»Leider ist mein Glas jetzt leer«, bedauerte er und stellte es unter einem hervorstehenden Ziegel ab. »Sonst hätte ich Ihnen was anbieten können.«
»Macht nichts«, entgegnete Liane. Es machte auch nichts, als er zum wilden Takt des Alpenrocks ihre Oberarme ergriff und sie beide im Takt hin und her schaukelten. Komischerweise vertraut, als gehöre sich das so. Er sprühte vor guter Laune, sang immer wieder mit und hatte einen festen Körper. Was konnte man von einem Tanzpartner mehr verlangen, den man nicht einmal sah. Dann kamen spanische Hits. Nun sangen alle mit, und Lianes Augen glitten über die Musiker hinweg, über die Stadtmauer zur Altstadt hinauf und von dort aus direkt in den Sternenhimmel. Hätte sie in diesem Moment jemand gefragt, dann hätte sie inbrünstig gesagt: Ja, ich bin glücklich, denn genauso fühlte sie sich.
Dauerte das Konzert zwei Stunden? Sie hätte es nicht sagen können, aber irgendwann begann sich das Völkchen aufzulösen. War jetzt Disco-Time auf Ibiza? Es war sicher weit nach Mitternacht, die Musiker spielten noch eine Zugabe, bei der die tanzenden Zuhörer noch
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