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Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können

Titel: Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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und unglücklich, weil ich Simon den ganzen Tag um mich habe. Schon im Voraus mache ich Pläne, die aber nie den ganzen Tag abdecken oder verhindern können, dass nicht doch Langeweile aufkommt. An keinem anderen Tag bin ich so in Gefahr, mir selber leid zu tun, wie an Sonntagen. Das Leben, so scheint es, meint es sehr stiefmütterlich mit mir.
    Morgens will ich meinen Partner noch bereitwillig schonen und gehe gleich, wenn ich Simon um 8 Uhr vom Vater geholt habe, mit ihm und dem Hund los, damit Christian endlich mal ausschlafen kann. Das späte Frühstück dann nehmen wir gemeinsam ein. Manchmal ist auch für den Nachmittag ein gemeinsamer Ausflug oder ein Hundespaziergang vorgesehen. Aber zumeist trennen sich unsere Wege nach dem Frühstück für viele Stunden. Er muss arbeiten oder will sich entspannen, er hat ja auch das Recht dazu. Sosehr ich mich bemühe, ihm das nicht übelzunehmen und mir zu sagen, dass Simon nicht sein Sohn ist und eben nun mal mein Job: gegen 16 Uhr, wenn meine Batterien allmählich leerlaufen, fühle ich mich ausgenutzt, am Ende und voller Selbstmitleid. Da kracht es gerne mal.
    Schon in meiner Ehe waren die Wochenenden die Hölle, dieser Wettbewerb im stummen Verpissen und Stehlen von Viertelstunden für sich. Alles schweigend, versteht sich.
    Wenn es diesmal besser laufen soll, muss ich wohl ganz klar formulieren, welche Erwartungen ich an diesen Tag habe und wie Christians Anspruch auf Freizeit mit meinem auf Unterstützung irgendwie miteinander versöhnt werden könnte.
    Es fällt mir nicht leicht: Wie viel darf man von einem Partner verlangen?
    Â»Frag doch einfach«, sagt mein wunderbarer Freund. »Sag, was du willst. Ist doch Unfug, alles stumm in sich reinzufressen.« Und nimmt Hund und Kind für einen Ausflug und schickt mich ins Bett.
    Ich werde die Angst nie loswerden. Die Angst, dass alles scheitern wird. Und umgekehrt werde ich immer an der Neigung kranken, besonders nett sein zu wollen, außerordentlich zugewandt, extra einfach im Umgang, pflegeleicht, originell, verwöhnend, verführend, was immer gerade gefordert ist, eben beinahe die perfekte Frau. Einmal weil ich das so gerne sein möchte, perfekt sein. Und weil ich so gerne hege und pflege und die Leute blühen sehe und herausfinde, was sie lieben, um es ihnen zu geben. »In deiner Umgebung«, pflegt mein Freund zu sagen, »regrediert alles in Rekordzeit.«
    Ich tue das aber auch, um damit all das auszugleichen, worauf ein Partner von mir Simons wegen verzichten muss. In regelmäßigen Abständen, gerne sonntags, überfordere ich mich mit diesem Projekt, um in ganz und gar unperfekte Verhaltensweisen zu fallen: Unzufrieden bin ich dann, nörgelnd, fordern, abweisend und introvertiert und wieder einmal bereit, lieber meinem Unglück entgegenzulaufen. Möchte die Katze ersäufen, den Hund aussetzen, den Mann ins Nirvana schicken. Nur mit dem Kind, der eigentlichen Ursache von allem, da kann ich nicht einmal in meinen wildesten Phantasien etwas tun. Ich sitze in der Falle und wüte stumm gegen mich und diejenigen, die nichts dafür können. Ich igle mich ein und drifte davon.
    Es ist einfacher zu sehen, dass das falsch, ja fatal ist, als es zu unterlassen.
    Mein Freund sagt: »Ich lass dich nicht los.«
    Dann liebe ich ihn wieder wahnsinnig und bin zerknirscht, und er sagt: »Blödsinn, wir sind doch beide beschädigt. Jetzt gucken wir, dass wir mit diesem kaputten Auto heil und gut durchs restliche Leben kommen.«
    Mein Freund hat eine Geschichte geschrieben, »Die Reise zum Mond«. Sie handelt von einem autistischen Jungen. Jedes Mal, wenn er sie bei einer Lesung vorträgt, bekomme ich eine Gänsehaut. Weil sie so wahr ist und Christian so vieles begriffen hat.
    Mein Freund sagt: »Er bestimmt unser Leben.« Weil ich das jahrelang für mich akzeptiert habe, aber für ihn, für mich und ihn nicht akzeptieren möchte, habe ich geantwortet: » Wir sollten unser Leben bestimmen.« Das läge ganz bei uns, meint er, und streckt mir seine Hand hin. Ich nehme sie und halte sie ganz fest. Ich hoffe, es gibt diese Chance, sich nicht zu zerreißen zwischen den Ansprüchen von Kind und Partner, sondern alles an seinen Platz zu bringen.
    Ich will ja. Ich weiß nicht, ob ich die Kraft habe, aber ich will.
    Früher oder später wird Simon in einer »Einrichtung« leben – ich meide das Wort

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