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Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können

Titel: Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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einfach so zum Spaß, weil man ist, was man ist: ein Autor. Etwa beim Jahrestreffen der Schriftstellervereinigung Quo Vadis, in der die Autoren historischer Romane organisiert sind. Dort hatte ich Freunde und Freude an der Arbeit, so sehr, dass ich es sogar auf mich nahm, ein Sprecheramt auszuüben und eines dieser Treffen selbst zu organisieren. Nur ein Jahr lang allerdings, dann war klar, dass dieses Engagement das Quäntchen zu viel in meinem Alltag sein würde, das ihn unerträglich machte.
    Das Schriftstellersein wirklich zu leben war allerdings ein frivoler Gedanke, wenn man für jede aushäusige Aktivität einen Babysitter brauchte. Wofür, aufgrund der Problematik des Schützlings, nur der Partner in Frage kam oder die Eltern. Jede Freiheit, jeder Ausgang ging und geht auf Kosten anderer, die ohnehin schon schwer belastet sind. Und da ich weiß, wie hoch die Kosten sind, bringe ich es selten über mich, sie einzufordern. Wenn ich morgens manchmal sagte, ich könne heute wirklich nicht aufstehen, ich sei zu krank, stand mein damaliger Mann jedes Mal völlig aus dem Takt gebracht in der Tür meines Zimmers – er selbst schlief schon lange ein Stockwerk tiefer, um nachts ungestört zu sein, denn er musste ja ins Büro. Dann starrte er auf den Boden, um schließlich zu knurren: »Scheiße« und missmutig hinunterzustapfen und die Kids alleine schulfertig zu machen. Ich hörte schon an der Art des Geschirrklapperns und der Kommandos, wie ungut die Stimmung da unten war. Postwendend begann ich mich zu fragen, ob ich auch wirklich krank genug sei, um das zu verantworten. Meist raffte ich mich dann doch auf, kam nach und machte wenigstens die Pausenbrote. Wenn man dann merkt, dass man stehen kann, macht man auch weiter. Ich fragte mich ja selbst, ob ich nun wirklich krank war oder einfach nur seelisch angeschlagen. Psychosomatisch, dachte ich mir, gilt nicht.
    Wenn man diese Szenen kennt, nimmt man die Aufforderungen, sich abendliche Auszeiten zu nehmen, auch nicht mehr allzu ernst. Jedenfalls macht man sich nicht leichtherzig auf, um auf Kosten anderer einer Debatte über die aktuelle Literatur in Franken beizuwohnen.
    Zum Druck von außen – »Sie haben jetzt andere Pflichten« – kam somit der Druck, den ich mir selbst machte. Weil ich wusste, dass zu Hause durchaus nicht alles rund lief, und ich nur schwer den Kopf frei bekam. Ich denke da an die Emeritierungsfeier für den Zweitkorrektor meiner Doktorarbeit, die mit einem Mini-Symposium inklusive Mittagessen begangen wurde. Ich machte den Fehler, nach dem zweiten Vortrag mal zu Hause anzurufen, um zu fragen, wie es geht. Was ich hörte, war Simons Geschrei im Hintergrund und die leicht kippelige Stimme meines Mannes, der meinte, es wäre besser, ich käme bald heim. Was ich dann tat.
    Bald ging ich nur noch aus, wenn es fürs berufliche Überleben zwingend notwendig war. Auch dann ließ mich meine häusliche Situation nie wirklich los. Ich erinnere mich noch gut an einen Fototermin in Frankfurt anlässlich des Erscheinens meines neuen Romans; das Shooting fiel in die Zeit der Diagnosefindung, Simons letzter IQ -Test war bewältigt, und wir warteten auf ein Gespräch mit den Leuten von der Frühförderung. Ich redete viel zwischen den Schnappschüssen – aufgefordert und herausgefordert vom Fotografen, der mich locker bekommen wollte. Ich redete und redete: von Simon, Simon und noch mal Simon. Es war einfach nichts anderes in meinem Kopf, meine Gedanken rotierten darum und nur darum. Ich muss den Leuten sehr seltsam vorgekommen sein.
    Tat ich das einmal nicht und parlierte nach einer Lesung oder irgendeiner anderen Veranstaltung einfach nur über die üblichen kulturellen Themen, kam ich mir selbst schon wunderlich vor, wie jemand, der ein Doppelleben führt und seine eigentliche Existenz verschweigt. Jedenfalls nicht wie jemand, der hier dazugehörte. Ich hatte das dringende Gefühl, zurück auf mein Schiff zu müssen.
    Irgendwann war ich bei öffentlichen Ereignissen gar nicht mehr zu finden. Ich war ja auch immer so müde, so über körperliche Müdigkeit hinausgehend umfassend erschöpft und fühlte mich so abgeschabt, überfordert und zitterig, dass ich mir den Auftritt in der Öffentlichkeit einfach nicht mehr zutraute. Ohnehin war ich nie ein Matador im Umgang mit der Menge gewesen, kein begnadeter Selbstvermarkter. Solche Talente

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