Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können
des Lichts auf den Bodenfliesen entfaltet? Nur, um dann in unserer Welt defizitär und behindert zu sein? So sie es überhaupt können: Lohnt sich das für sie?
Wir rufen: Ja, ja! Denn dann musst du nicht ins Heim, dann kannst du in eine offene Wohngruppe, kannst freier und selbstbestimmter leben. Niemand wird dich mehr verachten, niemand dich mit Medikamenten ruhigstellen!
Aber wissen wir, wie groà die Anstrengung ist und wie groà die Angst vor dem Scheitern?
Mein Leben als Hobby
»Was du nicht kannst ist
Mehrere
Mehrere Leben führân.
Auf mehrere
Mehrere Schiffe gehân.
Das schenkt uns die treue Realität.
Und der Rest
Der Rest
Ist Hobby.«
Der Text stammt aus einem Lied von Peter Licht, und mir scheint, er beschreibt mein Leben als Mutter eines Autisten ganz gut. Ich fahre auf dem Autismus-Dampfer, auch wenn da andere, verführerischere Schiffe im Hafen liegen. Und etwas, das die Bezeichnung » Mein Leben« verdient hätte, konnte tatsächlich nur stattfinden als Hobby, wenn wirklich gar nichts anderes mehr anlag.
Es waren in der Tat schöne Schiffe, da drauÃen, auf den fernen Meeren. Eines trug die Bezeichnung: »erfüllte Paarbeziehung«. Schwamm drüber. Wir leisteten Schichtarbeit an unserem Kind, gemeinsame Aktivitäten gab es nicht mehr. Mein Körper war jahrelang das Areal, auf dem Simon lebte, nachts tat er es noch immer. Mein Körper wurde dicker, kränklich und war schlechter angezogen als früher. Er war ein Gebrauchsgegenstand für Autisten. Wenn ich mir auch oft gewünscht hätte, da wäre jemand, der ihn anders zu benutzen wusste, so hatte das doch jahrelang keine Priorität.
Dann gab es da noch die Yacht mit dem Namen »Schriftstellerdasein«. Ich war berufstätig, musste es sein, wenn wir das Haus behalten wollten. Und wollte es auch sein. Ich hätte das nicht überlebt, wenn ich mich nicht einen kleinen Teil des Tages mit ganz anderen Dingen hätte beschäftigen dürfen, nicht mit Kindern, nicht mit Autismus, nicht mit dem ganzen Alltagskram. Ich schrieb Krimis und historische Romane, tauchte in Welten ein, die zu konstruieren meine ganze Konzentration forderte, die mich beglückten, wenn sie zu leben begannen und die mich ablenkten von dem, was mich danach erwartete.
Aber Schriftstellerei ist ja so flexibel. Sie wird zu Hause ausgeübt und kennt keine festen Arbeitszeiten, nur Abgabetermine, die meist in weiter Ferne liegen. Was lässt sich da nicht alles nebenbei erledigen. Das Zu-Hause-Arbeiten ist ein offenes Tor für jede Form der Selbsthintansetzung und Selbstausbeutung. Kein Zusatztermin in der Schule, beim Amt, bei den Therapeuten, den man nicht noch unterbrächte. Am Ende arbeitet man zur Not halt nachts.
Ich glaube, die AuÃenwelt hat mein Schreiben oft für eine Orchideenbeschäftigung gehalten. »Was sind Sie, Schriftstellerin? Ach so.« Ein wissendes Lächeln. Man dachte wohl im ersten Moment an im Selbstverlag herausgebrachte Lyrik. Für viele war es reine Selbstbespiegelung, eine kleine Eitelkeit, ohne die Zwänge eines tatsächlichen Berufes und ohne groÃen ökonomischen Wert. Kein Schaden also, wenn ich dafür keine Zeit mehr fand. Beim ersten Termin in einer Beratungsstelle für Autismus sagte der Berater, nachdem er meinen Beruf erfragt hatte, lapidar: »Das sollten Sie die nächsten zehn Jahre mal zurückstellen. Sie haben jetzt andere Aufgaben.« Da schnappe ich nach Luft. Ein Satz â und das eigene Leben ist fortgewischt.
Aber wie gesagt, pekuniär und emotional war es notwendig. Das Schreiben also behielt ich bei, irgendwie. Nach wie vor entstanden, egal unter welchen Bedingungen, zwei Manuskripte pro Jahr. Nur: Schriftstellerei ist nicht nur Schreiben. Man sollte seine Zeit nicht bloà einsam am Schreibtisch verbringen, wie ich das überwiegend tat, sondern auch auf Lesungen und Symposien gehen, bei Preisverleihungen, bei Festen, in Verbänden und an Stammtischen anwesend sein, im Austausch stehen mit Verlegern, Kulturreferenten, Pressemenschen und anderen wichtigen Kontaktleuten. Präsent sollte man sein, vor allem im Kulturleben vor Ort, nützliche Verbindungen aufbauen und pflegen, mitmischen, sich äuÃern, eine öffentliche Existenz besitzen, denn ohne Ãffentlichkeit findet ein Autor keine Leser.
Man könnte das alles sogar durchaus genieÃen, sich mit Gleichgesinnten austauschen und tummeln,
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