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Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können

Titel: Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tessa Korber
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kommen mehr. Wir singen »Zwei kleine Wölfe gehen des Nachts im Dunkeln. Man hört den einen zu dem andern munkeln: Warum gehen wir denn immer nur des Nachts herum? Man tritt sich an den Wurzeln ja die Pfoten krumm. Wenn’s nur schon heller wär. Wenn nur der Wald von Sternenlicht beleuchtet wär.« Das fesselt ihn erstaunlich lange, und mich ehrlich gesagt auch. Die Wiederholung lullt einen ein und lässt einen die Nässe vergessen. Wir basteln noch Jonglierbälle aus Reis, Alufolie und Luftballons, das heißt, ich bastle, Simon nagt sie dann wieder auf. Bis Peter vorbeikommt und Simon sich nach Stockbrot erkundigen geht.
    Irgendwie wird es Abend, irgendwie wird es acht Uhr. Wir setzen uns zum großen Picknick mit hin. Simon hält es in der Runde eine ganze Weile aus. Ich könnte ihn küssen, unterhalte mich hier und da, immer das Kind im Blick, trinke mein Bier. Gabi muss früher los zum Nachtdienst und wird bedauert. Sie bedauert uns, die wir im Regen zurückbleiben. Ja, das wird sicher kein Spaß. Ich suche lange, bis ich eine Hecke finde, an der ich selber pinkeln mag, feuchtes Gras um die Fesseln, Nacktschnecken überall, noch immer den Geruch von Simons Geschäft in der Nase.
    Seinen Abendlöffel mit den Medikamenten kriegt Simon statt mit Joghurt wie sonst auf einem Stück Tomatensalat. Er akzeptiert, will dann aber wirklich schlafen gehen. Also marschieren wir los. Schuhe aus, ins Zelt geschlüpft, Schlafsäcke ausgepackt und ausgerollt, die nassen Kleider ausgezogen, eher abgeschält. Simon ist im Schlafanzug, schon sichtlich aufgeregt. Noch bin ich zuversichtlich, aber dann passiert es: Ich war zu faul, mir selbst auch einen Schlafanzug einzupacken, fühlte mich auch wohler mit dem Gedanken, in meinen – warmen – Kleidern zu schlafen. Aber das konnte er nicht akzeptieren. Seine wachsende Angst hatte ein Objekt gefunden und hakte sich ein. »Du sollst einen Schlafanzug anziehen. Du hast doch einen.« So verkündete er es in anschwellendem Diskant. Die ersten Tränen. Der sei doch schön. Und praktisch. Und auch ganz sauber. Er suchte alle Argumente, die ihm im Zusammenhang mit Kleidern einfielen, weil sie ihm schon einmal präsentiert worden waren, von mir nämlich, wenn ich ihn überreden wollte, etwas anzuziehen. Der passe mir doch gut. Ich solle auch meinen Schlafanzug anziehen.
    Das war nun ganz und gar unmöglich. Ich versuchte, es in meinem Ton deutlich zu machen. Aber es zog nicht. Schließlich setzte er sich auf und verkündete, was eigentlich Sache war: »Ich will heim.«
    Ich kann nicht sagen, dass ich mich gesträubt hätte. Also Schlafanzug aus, die nassen Kleider wieder – mit Mühe – übergezogen. Die Schlafsäcke eingerollt und weggestopft. Alles in die Taschen gepackt. Schuhe an, Jacken an, raus aus dem Zelt. Zelt abbauen. Es nieselte noch immer. Unglaublich, was sich unter dem Überzelt schon an Nacktschnecken gesammelt hatte in den wenigen Stunden. Wie hätte das am nächsten Morgen ausgesehen? Ich beeilte mich, weil Simons Melatonin zu wirken begann; ich wollte zu Hause sein, ehe es nachließ und er nicht mehr in den Schlaf kam. Aber ich war stolz über meine Ruhe dabei. Tatsächlich verlor ich nicht einmal meine gute Laune. Ich war gelassen. Ich musste an Simons Vater denken und wie oft und laut er dabei geflucht hätte. Bei diesem Abbau, aber schon beim Aufbau zuvor. Bei allen solchen Tätigkeiten, wo eben ein Handgriff nach dem anderen getan werden musste. Und ich war froh. Unser Zelt hatte unter einem verkrüppelten Baum gestanden, abgebrochen in der Mitte, mit Wunden an der Rinde und nur einem neu nachgewachsenen Zweig, der sich über unsere kleine Kuppel spannte. Aber der war voller Kirschen. Es schien mir das rechte Symbol für unsere Rumpffamilie zu sein.
    Vollbepackt gingen wir an den anderen vorbei, die noch beim Essen saßen. Indre sprang auf, als sie uns sah, und half mir tragen. Ich erklärte ihr die Situation, und sie war mit mir einig, dass es besser sei, es endet so und harmonisch. Simon war wieder guter Dinge und schleppte einen vollgepackten Korb. Indre und ich lachten. Vorne bei den Autos musste sie pinkeln. Typisch Indre: Sobald sie blankzog, kam prompt ein Auto, spätabends und mitten in dieser Einsamkeit, den Feldweg entlang. Sie hüpfte wie ein Frosch mit runtergelassenen Hosen, während ich mit ausgespannter Decke in den Armen

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