Ich liebe dich nicht, aber ich möchte es mal können
das Grün bedeckt, lasse ich liegen. Einige Sachen, die ich finde, etwa ein altes Brillengestell, sind gar nicht von uns und ruhen wohl schon lange hier. Ich lasse sie ruhen und das Unsrige dazu. Simon guckt bockig. Ich muss mir das Lachen verkneifen. Ich hätte mit ihm Trampolin springen sollen.
Auf dem Sommerfest dann verhält er sich vorbildlich. Er hüpft fröhlich auf die Leute zu, begrüÃt sie mit Namen, nimmt die Gesichter überraschter Kinder zwischen beide Hände und flötet: »Mein Lieber« oder »Na du?« Manche entziehen sich dieser überwältigenden Zärtlichkeit unangenehm berührt, andere lassen es sich gefallen. Simon ist glücklich. Ständig streift er am Buffet vorbei, langt in alle Schüsseln und isst gierig und rasch. Ich muss hinterhersein, dass er nicht alles Angebissene zurücklegt. Er nimmt gerne etwas im Vorübergehen und wirft es angenagt wieder weg.
Zum Glück sind viele, fast alle der Kinder aus unserer Zeit da. Und auch ihre Eltern. Ich werde ebenfalls umarmt, begrüÃt, mit Scherzen empfangen. Die Stimmung ist locker, fast übermütig. Simon pfeift auf die Vorführung von »Peter und der Wolf« und will lieber unser Zelt aufstellen, schlieÃlich ist eine Ãbernachtung geplant. Am Aufbau beteiligt er sich nur durch Drängeln, Kichern und Hüpfen. Als das Zelt steht, will er schlafen gehen. Es ist erst fünf Uhr, und ich weiÃ, dass mir eine harte Zeit bevorsteht. Aber er ist dem Argument schlieÃlich zugänglich, dass es noch nicht Schlafenszeit ist und doch noch viel geschehen wird. Stockbrot, fällt ihm ein, als ich das Lagerfeuer erwähne. Ja, das kennt er. An Lagerfeuern wird Stockbrot gemacht. Der Gedanke setzt sich bei ihm fest. Er läuft los, um Peter zu fragen, ob es Stockbrot geben wird. Das tut er ab da regelmäÃig, obwohl Peter jedes Mal bedauernd verneint.
Zweimal will Simon weglaufen, es sind Impulse, aus dem Moment geboren. Er rennt plötzlich zum Rand der Wiese und weiter. Ich sehe es jedes Mal und gehe hinterher. Er will mir Tschüs winken und beharrt: »Das darf man.« Ich sage: »Nein, darf man nicht« und bestehe darauf, zurückzugehen, überlasse ihm aber die Wahl des Weges. Er braucht ein wenig Bewegung, und die Ruhe abseits des Trubels wird ihm guttun.
Beim zweiten Mal unternehmen wir eine lange Wanderung. Simon entscheidet sich für eine Route querfeldein, durch hohe Wiesen voller Kornblumen und blühendem Gras. Ich dirigiere ihn an den Kornfeldern vorbei, die ihn magisch anziehen. Wir finden eine Pferdekoppel. Ein hässliches Pony stupst ein Pferd, das es ungeduldig vertreibt. Aber das Pony lässt sich nicht verdrieÃen. Voll überschieÃender Energie beginnt es zu galoppieren; es hat reichlich Platz dafür, rast die Koppel entlang, wendet und kehrt wieder, wendet erneut und lässt seiner Freude mit trommelnden Hufen freien Lauf. Drei-, vier-, fünfmal kommt es an uns vorbei, ansteckend in seiner Lust am Augenblick. Es beginnt zu regnen, als wir die Ortschaft Weiher erreichen.
Ein Mann renoviert seine Garage, dazu klingt ein Stück von Simon and Garfunkel aus dem Radio. Lange nicht gehört, ich summe ein wenig mit. Der Regen wird stärker, wir begegnen niemandem mehr. Simon verkündet, er müsse mal, also dirigiere ich ihn, inzwischen schon ziemlich nass, in eine Ecke am StraÃenrand zwischen Ligusterhecke und BMW . Als ich an seiner Haltung erkenne, dass er nicht nur wie üblich pinkeln, sondern auch sein groÃes Geschäft erledigen will, rufe ich entsetzt: »nein«, aber es ist zu spät. Vor meine FüÃe kollern zwei Kotbrocken. Ich habe natürlich kein Taschentuch dabei. Da kommen Hundespaziergänger, die entgeistert auf den geduldig in den Regen gereckten nackten Po meines Kindes starren, während ich lossprinte, um am Rand der Vorgärten geeignet groÃe Blätter zu pflücken. Ich säubere Simon, so gut es geht. Es stinkt. Endgültig nass und elend langsam, da ihm mit dem nur halbsauberen Po unwohl ist, suchen wir uns unseren Weg zurück zu den anderen.
Im Zelt mache ich Simon sauber und kann ihn nur mit Mühe abhalten, sich aber jetzt sofort den Schlafanzug anzuziehen. Stockbrot, fällt ihm zum Glück ein, und er läuft wieder los. Tanja sitzt tapfer im Regen und zupft an ihrer Gitarre. Simon kennt die Melodie, also setzen wir uns dazu und greifen zu den Klanghölzern, bald
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