Ich liebe mich... Sabrina (German Edition)
»Berichten Sie mir bitte ein wenig von Ihrem Alltag.«
Tja, wo sollte ich anfangen? Ich erzählte von unseren Töchtern, meinem Mann, meinem Alltag...
Noch immer machte er sich keinerlei Notizen, was ich jetzt beruhigend fand. Hätte er mitgeschrieben, wäre mir das vorgekommen, als sei ich bei einem Polizeiverhör. So aber, konnte ich meinen Gedanken und Erinnerungen freien Lauf lassen, ohne mich kontrolliert oder bewertet zu fühlen. Es war eine seltsame Erfahrung für mich, in dieser Art von Rückschau, aus meinem Leben zu berichten. Mir war, als sei ich schon gestorben, hätte mein Leben gelebt und würde nun einer anderen Seele auf Wolke-Sieben von meinem letzten Erdenleben erzählen.
»Ich danke Ihnen für Ihre Offenheit, Frau Hartmann. Ich weiß, dass es nicht immer leicht fällt, einem anderen Menschen von sich zu berichten«, schloss er die Stunde. »Ich bitte Sie, sich bis zum nächsten Mal ihre Ängste genauer anzusehen. Schreiben Sie auf, was Sie davon abhält, die Dinge zu tun, die Sie gerne tun würden und...«, fügte er noch hinzu, »…widmen Sie sich besonders den Dingen, die Sie gern tun würden, die Sie nicht aufgeschrieben haben!«
Ich versprach es, und wir verabredeten uns wieder für den kommenden Donnerstag.
Es war Essenszeit. Ich ging auf direktem Weg in den Speisesaal. Angie und Hanne saßen bereits an unserem Tisch und machten sich über die Rinderleber, Berliner Art, her. Das Essen schmeckte hier wirklich gut, und ich genoss es, mich verwöhnen zu lassen. Angie war gestern und heute anscheinend besser drauf als am Sonntagabend; jedenfalls wirkte sie wieder kess und selbstbewusst.
»Was stand bei euch heute auf dem Plan?«, fragte ich in die Runde.
»Morgengymnastik und Fango«, presste Angie kauend hervor und wischte sich mit dem Finger etwas Fett vom Mundwinkel.
»Ergotherapie«, kam es von Hannelore, »und stellt euch vor, in dem Malkursus bin ich die einzige, die noch keinen Pinsel in der Hand hatte und dafür war ich wirklich gut. Wir haben mit Aquarellfarben gemalt, Nass-in-nass-Technik, eine Gebirgskette in der Abenddämmerung. Ich glaube, ich habe tatsächlich Talent«, lachte sie.
»Was war bei dir?«, wollte Hanne nun von mir wissen.
»Ich war bei Herrn Sibelius.«
»Etwa der Psycho-Onkel?« Angie zog die Augenbrauen hoch.
»Genau der.«
»Und?«
»Was und? Es ist beeindruckend, was für Fragen der einem stellen kann. Die gehen einem gar nicht mehr aus dem Sinn.«
»Der will bestimmt wissen, wie es bei euch im Bett läuft. Die Kerle sind doch alle gleich«, schnaufte Angie und stippte mit einem Stück Brot ihren Teller ratzekahl sauber.
»Nein, der fragt, was ich tun würde, wenn ich keine Ängste hätte?«
»Ach«, ließ sich Hannelore die Frage durch den Kopf gehen, »das ist ja interessant, und, hast du Ängste?«
»Klar, die hat doch jeder. Manche sind ja auch durchaus sinnvoll. Wenn Ihr euch aber im stillen Kämmerlein mit so einer Frage einmal ernsthaft auseinandersetzt, werdet ihr überrascht sein, was euch plötzlich alles dazu einfällt!«
Später, auf meinem Zimmer, zog ich mich bis auf die Unterwäsche aus und legte mich ins Bett. An die Mittagsruhe hatte ich mich bereits gewöhnt und fand es sehr erholsam, nach dem Essen zwei Stunden im kuscheligen, warmen Bett liegen zu können. Draußen sah ich Sonne und Wolken im langsamen Wechsel vorbeiziehen. Der Wind hatte abgenommen und schob die Wolken nur noch gemächlich vor sich her. Automatisch dachte ich wieder an Peter und unsere frühen Jahre...
Peter war immer schon ein charmanter und auf Gesellschaften gerne gesehener Gast gewesen. Er konnte sich mit jedem gleich angeregt unterhalten, und er konnte hervorragend Witze erzählen. Witze, die nie unter die Gürtellinie gingen, aber alle gleichermaßen zu Lachkrämpfen hinriss. Geheiratet hatten wir genau ein Jahr nach unserem Kennen lernen. Wir hatten eine tolle Feier in einem großen Hotel in Goslar mit rund fünfzig Gästen - mit allem Drum und Dran. Meine Eltern hatten es sich nicht nehmen lassen, den Löwenanteil des Festes zu bezahlen.
Unsere erste gemeinsame Wohnung bezogen wir in Köln. Wir hatten sie als Eigentumswohnung erstanden. Peter bot sich bald darauf Gelegenheit, in einen besser bezahlten Job zu wechseln. In Köln suchte eine Firma einen Diplom-Betriebswirt für ihre Marketingabteilung. Das war der Bereich, der Peter am meisten
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