Ich liebe mich... Sabrina (German Edition)
gestand mir ein, dass ich es anfangs versucht hatte, aber der Versuch fehlgeschlagen war. Anne hatte immer ihren eigenen Kopf und ihre eigene Auffassung durchgesetzt. Auch übernahm sie keine vorgedachten Urteile von anderen, sondern stellte erstmal alles auf den Prüfstand, um sich dann ihre eigene Meinung zu bilden. Das hatte ihr meinen Respekt eingebracht. Ich hatte mir manches Mal insgeheim gewünscht, so unvoreingenommen wie Anne an die Dinge herangehen zu können. Kristin hingegen war ein Leichtfuß, sie schlug Hinweise und gut gemeinte Ratschläge gern in den Wind. Zum einen Ohr rein, zum anderen wieder raus, hatte Peter oft gesagt.
Nachdem ich das letzte Apfelstückchen vertilgt hatte, stand ich auf, schlüpfte aus meinen Sachen und legte mich für die restlichen anderthalb Stunden Mittagsruhe ins Bett.
Ich schien kaum eingenickt zu sein, da riss mich ein unbekannter Schnarr-Ton aus dem Schlaf. Was war das? Es schnarrte wieder und wieder und ich begriff, dass es mein Zimmertelefon war. Bestimmt Angie, die noch meinen mütterlichen Rat brauchte, schoss es mir in den Sinn und ich nahm ab.
Überraschend war es Peter. Unheil ahnend fuhr ich hoch und schob mir eine Haarsträhne aus dem Gesicht. »Was ist los, Peter, ist was passiert?« Mein Herz hämmerte.
»Nein, wieso?«
»Weshalb rufst du an? Um diese Zeit?« Ich war noch immer alarmiert.
»Na, das klang auch schon mal erfreuter«, beklagte er sich maulend. »Ich wollte nur mal hören wie es bei dir läuft? Ich bin heute Abend erst spät zu Hause, weil ich noch mit Horst in die Sauna gehe, kleiner Klönabend. Horst hat zu Hause frei bekommen und ich bin ja im Moment Strohwitwer«, flachste er munter.
»Na gut, ich dachte im ersten Moment, es sei etwas passiert. Dann bin ich ja beruhigt. Hier läuft alles wie gewohnt. Ich fühle mich ganz wohl und das Wetter spielt auch mit. Dann grüß Horst von mir und ich wünsche euch viel Spaß bei eurem Herrenabend. Küsschen, ciao!«
»Tschüß, mach's gut!«, kam es zurück, und ich legte auf. An ein Wieder-Einschlafen war nicht zu denken, also stand ich auf und setzte mich an meinen Zimmertisch, Hausaufgaben machen für Herrn Sibelius. Ich nahm meine Liste zur Hand und ergänzte die einzelnen Positionen mit den Gründen, die mich vom Tun dieser Dinge abhielten:
Motorradfahren - dazu bin ich zu alt, das ist pubertär!
Durch Norwegen reisen - Als Verheiratete reist man nicht allein!
Zelten in der Natur - Ich könnte überfallen werden und wäre schutzlos ausgeliefert!
Alleine essen gehen - Wie sieht das denn aus?
Mir einen Hund kaufen - Da bin ich so angebunden!
Mich selbstständig machen - Das kann ich nicht!
Einmal durch unseren Stausee schwimmen - Was, wenn mich die Kräfte verlassen?
Ein Kinderbuch schreiben - Das kann ich nicht!
Einigen Leuten mal meine Meinung sagen - Das wäre unhöflich!
Allein mit fetzigen Klamotten in einer Disco durchtanzen - Das gehört sich nicht und ist pubertär!
Nicht so angepasst sein - Das ist meine gute Erziehung!
Auf meinen Kladdenzettel schrieb ich noch meine heimliche, nicht für Herrn Sibelius bestimmte Position:
Eine Sex-Show auf St. Pauli besuchen - Wie peinlich, wenn mich jemand sehen würde!
Es ist erstaunlich, was mit einem passiert, wenn man seine undefinierbaren Ängste, definiert , wie Herr Sibelius sich ausgedrückt hatte. Aufgeschrieben sahen diese Dinge schon viel kleiner aus als sie mir in meinem Kopf erschienen waren. Alleine die Gründe, die mich davon abhielten etwas zu tun, erschienen mir jetzt sonderbar kindlich. Mutig setzte ich hinter meine Gründe etwas nicht zu tun, eine neue Frage:
Motorradfahren - dazu bin ich zu alt, das ist pubertär!
Wer sagt das?
Durch Norwegen reisen - Als Verheiratete reist man nicht allein!
Wer sagt das?
Zelten in der Natur - Ich könnte überfallen
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