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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Beschwerden und im Werk keinen Ärger. Einmal ritt er mit Stephanie aus, ohne die Gelegenheit, mit ihr zu sprechen, wahrzunehmen, verbrachte einen Nachmittag auf dem Starnberger See bei Wasserski mit Golo und bronzebrauner Braut. Sie gewann von Mal zu Mal, war sehr angenehm in ihrer zurückhaltenden Art, dabei nicht langweilig, betrachtete ihre Unfähigkeit, das Leben allein zu meistern, mit heiterer Selbstkritik und trug, was Vater wie Sohn gleichermaßen guthießen, einen schmucklosen, einteiligen Badeanzug. Nur die Mehlwürmer störten ihn bisweilen. Sie hatten nichts von der Sensibilität und Feingliedrigkeit ihrer Mutter, nahmen auch keine Farbe an. Eine merkwürdige Rasse. Wahrscheinlich gar keine.
    Er ist Herr seiner Zeit und beim Mittagessen zu Hause fröhlich. Doch sobald er versucht mit den Seinen zu sprechen, das bevorstehende Jubiläum >in den Griff zu bekommen<, wie man unter Führungskräften sagt, bleibt er ohne Fortune. Stephanie denkt an eine große Party. Golo findet, jede Form von Repräsentation sei hinausgeworfenes Geld, für diesen Anlaß komme nur eine Feier im engsten Familienkreis in Frage. Und das heißt mit Braut und den Mehlwürmern. Er, der Vater, wiederholt sich, spricht von gewissen Formen, die es zu wahren gelte, gerade in der heutigen Zeit, von würdiger, gleichzeitig liebenswürdiger Gestaltung, die dem Ansehen der Familie in der Öffentlichkeit entspreche. Seine Frau lehnt rundweg alles ab, sie will wegfahren. Er berichtet dem Doktor, wie schwer es ihm die Familie macht. Der Doktor schmunzelt.
    »Am besten Sie veranstalten ein Jedermann-Bankett à la Salzburg. Selbstverständlich ohne Tod.«
    Der Mitarbeiter findet diese Bemerkung sehr unpassend.
    Blieb Hilde zu fragen, mit der er täglich telefonierte. Hilde umging das Thema, erzählte vom schlechten Wetter und von der Stechmückenplage, bis er sich für alle Unbilden verantwortlich fühlte.
    Beim Mittagessen mit der Familie lenkt er die Konversation, sucht einen Kompromiß mit den Seinen. Die Zeit drängt. Alles lastet auf ihm; niemand kümmert sich um seine silberne Hochzeit. Seine Frau sieht ihn nicht an, wenn er mit ihr spricht, oder sie sieht ihn an und schweigt. Es ist schon egal, was er sagt, ob er etwas sagt. Da fällt ihm der Scherz des Doktors ein:
    »Laßt uns ein Bankett geben!«
    »Das ist doch nicht dein Ernst?« sagt seine Frau.
    »Warum nicht gleich einen bayerischen Abend?« lästert Stephanie.
    Er geht nicht darauf ein.
    »Wir sind eine Menge Einladungen schuldig. Unser Verhalten ist allmählich brüskierend.«
    »Bitte. Tu was du willst. Ich werde nicht dasein. Ich sehe keinen Grund für irgendeinen Aufwand hier im Hause...«
    »Nicht hier, Liebes. Im Vier Jahreszeiten. Ich arrangiere alles. Du bist zwei Stunden freundlich, dann fährt Alois dich nach Hause. Die Form ist gewahrt, die Leute sind zufrieden und wir alle Verpflichtungen los.«
    Er engagierte jene verarmte aber kniggefeste Baronin, die bei den zahlreichen Unsicheren, die jede Crème der Gesellschaft kennzeichnen — wer hätte sonst den Ehrgeiz? — in Fragen der Vornehmheit als unfehlbar gilt und reihum vom Text der Einladungskarten bis zur Tischordnung gegen Kassa garantiert aristokratische Salonregie liefert. Selbstverständlich klappte alles.
    Schon beim Anziehen fühlt er sich nicht wohl. Seelisch. Was soll er im Cut? Wozu das alles? Die vielen vertrauten Gesichter, die jedesmal aussehen, als habe sie ein Maskenbildner seit der letzten Begegnung wieder etwas stärker mit grauem Puder abgedeckt. Was hat er ihnen zu sagen? Ihm ist, als sei er jahrelang verreist gewesen. Ein sanfter Rippenstoß, dazu die Stimme seiner Frau.
    »Hier links! Frau Schröder nickt dir zu. Sag mal, brauchst du eine Brille?«
    Gratulationscour. Er hört sich sprechen.
    »Wie reizend. Vielen Dank. Daß Sie das auch sagen! Doch sofort. Ich auch. Endlos. Letzten Herbst. Durchaus. Und besonders im Süden...«
    Stirnabtupfen. Weiter.
    »O ja. An sich sehr. Vorgestern. Das heißt übermorgen. Das ist aber auch das mindeste. Genau. Jeden Mittwoch. Soll uns freuen. Nein, erst die silberne...«
    Idiot
    »Das ist aber nett. In der Sauna, ganz richtig. Und besonders im Süden. Wir auch. Endlos. Vorgestern. Bermudas? Für immer?«
    Die Baronin soufflierte: er nahm seine Frau am Arm und bat zu Tisch; die Baronin soufflierte: er verlas ein besonders witziges Schmucktelegramm einer besonders hochgestellten Persönlichkeit; die Baronin soufflierte: er dankte allen für alles; die Baronin

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