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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Unterschriften, dann die private Gedächtnisstütze :
    »Du weißt, daß deine Kinder nächste Woche Geburtstag haben!«
    »Ach Hilde, wenn ich dich nicht hätte! Dann hätte ich meine Familie vergessen.«
    Sie überläßt sich seiner Hand.
    »Ohne mich würdest du deine Familie eben nicht vergessen.«
    »Versuch nicht, mir ein schlechtes Gewissen einzureden. Sag mir lieber, was wir ihnen schenken. Was freut sie? Wofür interessieren sie sich? Es ist schandbar. Ich weiß. Aber sie sind ja auch nie da!«
    Er wollte Alois kommen lassen, damit der sie in die Stadt fahre, ihr werde schon das Richtige einfallen. Und sie solle auch für sich und Monika etwas Schönes kaufen. Das sei alles längst erledigt, erklärte ihm Hilde ohne jede Betonung. Und während er schwankte, ob sie begabt gewählt habe, zerstreute sie den noch nicht geäußerten Zweifel: sie hatte die Zwillinge vorher gefragt. Jetzt konnte er sich nur noch wundern, tat es und erfuhr dabei, daß Hilde telefonischen Kontakt mit seinen Kindern hielt. Sie sah ihm an, daß ihn das störte.
    »Und was redet ihr da?«
    »Ach, nichts Wichtiges. Meist ist es Stephanie. Sie hat von uns keine Ahnung. Wenn du das meinst. Sie erzählt manchmal von sich...«
    »Zum Beispiel?«
    »Zum Beispiel, daß sie einen neuen Freund hat.«
    Das traf den Vater hart.
    »Ich kann’s nicht ändern! Ich kann mir nicht immer Sorgen machen um das Mädel. Ich muß auch mal an mich denken. Ich kann sie ja nicht anbinden! Und meine Frau? Telefonierst du mit ihr auch?«
    »Jetzt seltener. Sie ist ja verreist, schaut sich Landhäuser an.« Er schüttelte den Kopf, mußte aber lachen.
    »Ich habe das Gefühl, du bist eine Hausspionin.«
    »Unterschätze das nicht!«
    »Dann kannst du mir vielleicht sagen, wo sie Ostern war?«
    »Ich glaube in Südtirol.«
    »Und warum sagst du mir das nicht?«
    »Entschuldige. Ich wußte nicht, daß du’s nicht weißt. Wir sprechen nie über sie.«
    Er wollte noch etwas fragen. Aber er ließ es. Man mußte die Dinge trennen.
    Um seiner Frau keine Mühe zu machen, lud er die Zwillinge zum Geburtstagsessen in das paneelierte Restaurant der Aufsichtsräte ein. Golo durfte seine Familie mitbringen und Stephanie ihren neuen Freund. Hilde hatte das Geburtstagsmenü zusammengestellt; die Zwillinge lobten ihren Vater und futterten mit Leidenschaft.
    Dem Vater ist der Appetit vergangen. Ein Duft von Juchten strömt über den Tisch, von dem Blasierten im Blazer, intensiv wie aus einer Düse. Es ist das erstemal, daß er beide Kinder gewissermaßen in fremden Händen vor sich sieht. Stephanie kommt ihm verändert vor, die Augen, der Ausdruck des Mundes, launisch, verbummelt. Es mag Einbildung sein, aber die Frische ist weg, Juchten dominiert. Golos Braut, weiß Gott älter, wirkt daneben klar und sauber. Und sieht wirklich seiner Frau ähnlich, besonders im Profil. Auch ihre Hände, anständige Hände. Er könnte Golo verstehen, wären nicht die beiden Kinder, blaß, wie Mehlwürmer. Sie quengeln, wippen mit den Stühlen, sprechen mit vollem Mund vom Klo, wohin sie müssen, bis die Braut, der es sichtbar peinlich ist, sie hinausführt. Auch in ihren Bewegungen hat sie etwas von seiner Frau.
    Ach ja — hier fehlt ein Vater — nur warum muß es ausgerechnet Golo sein — Stephanie enttäuscht mich — dieser stinkende Schnösel — ob er der Vater gewesen wäre — nein das kann sie mir nicht antun

    »Ach ja«, seufzt der >Mitarbeiter<, den Kopf auf das weiße Frotteetuch mit der grünen Klammer gebettet. »Ich möchte nicht noch einmal jung sein. Die Jugend hat mich genug Nerven gekostet.«
    Er verfolgt den Zickzackflug einer Fliege an der Decke und erinnert sich einer ähnlichen Feststellung seiner Frau. Er wollte dem Doktor sagen, daß seine Frau offenbar einen Therapeuten konsultiert. Aber er läßt es.
    »Ja Doktor, diese Familienfeiern wirken sich auf das Unterbewußtsein aus wie schweres Essen auf den Magen. Ich hatte da einen Traum: Ich bin mit meiner Familie — wie könnte es anders sein — in Salzburg bei den Festspielen. Wir waren einmal alle dort, zum >Jedermann<. Ja, und wie in Wirklichkeit, so auch im Traum: wir sitzen auf dem Domplatz in der ersten Reihe. Die Inszenierung ist jedes Jahr gleich: Wenn der Tod kommt, sinkt die Domfassade in Schatten. Wir schauen uns an, meine Frau und ich, und sind zufrieden. Auf einmal sitze ich nicht mehr zwischen Stephanie und meiner Frau, sondern an der Festtafel auf dem Podium. Ich bin der Jedermann, spreche meinen

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