Ich liebe mich
Haus, baue, wo es dir gefällt! Vor einem Jahr hattest du schon den Wunsch. Entschuldige. Ich bin wirklich nicht sehr aufmerksam.«
Er fühlte sich wie nach einem Freispruch aus Mangel an Beweisen, trank ihr zu, auf den Hochzeitstag, hörte nicht, von welcher Gegend sie sprach, nicht ob sie kaufen oder bauen wollte, oder vorläufig im Hotel wohnen. Erst nach einer bestimmten Wortfolge kehrte seine Konzentration schlagartig zurück. Sie sagte:
»Jetzt bist du dran.«
»Ich? Womit?«
»Du wolltest mir doch etwas sagen.«
»Ja. Das... hat sich inzwischen erübrigt. Ich wollte mich nur mit dir bestimmen, ob wir in diesem Jahr eventuell nicht wie immer in die Ferien fahren. Ich bin im Augenblick kein guter Reisegefährte. Ich kann nicht weg. Was nicht heißt, daß ich vielleicht weg muß. Du kennst mich ja.«
»Deswegen will ich aufs Land.«
»Ausgezeichnet. Jeder tut das, was er muß. Ich stehe dir immer zur Verfügung. Mit Rat und Tat. Jederzeit.« Er merkt, wie fatal der Satz klingt und hängt ein Späßchen an. »Und wenn du fertig bist mit dem Haus, komme ich zum Tee.«
»Dein Zimmer ist immer bereit.«
Er muß mit ihr anstoßen. Aus Bedürfnis.
»So mag ich dich.«
»So bin ich immer.«
»Wahrscheinlich.«
»Du siehst, wir führen eine viel bessere Ehe, als es manchmal scheint.«
»Ist es nicht ein Geschenk, daß wir uns das heute sagen können?«
»Wir müssen nur miteinander reden.«
»Wahrscheinlich. «
»Wir reden wie in einer Boulevardkomödie.«
»Wie kommst du jetzt darauf?«
Sie faßt nach seiner Hand.
»Es ist kein Vorwurf, mein Lieber.«
Gemeinsam stellten sie die Gläser weg, gemeinsam löschten sie die Lichter, gingen die Treppe hinauf, gemeinsam ins Bad, um sich die Zähne zu putzen, erst vom gemeinsamen Ankleideraum aus trat jeder in sein Zimmer.
Nach soviel Gemütsbewegung will er Hilde nicht mehr stören. Immerhin ist Monika krank.
Seine Frau schrieb in ihr Tagebuch.
... Er spielt mit dem Gedanken an Scheidung. Ich muß abwarten. Der Geduldige ist im Vorteil. Wie gut, daß ich nicht auf seinen aggressiven Ton eingegangen bin, obwohl ich so gern mal auf den Tisch geschlagen hätte. Trotzdem ist mir leichter. Wir haben endlich miteinander gesprochen. Ich glaube, ich mag ihn doch sehr...
Er verarbeitet die Eindrücke des ereignisreichen Jubiläums in wechselnder Perspektive: als Mitarbeiter, als Vater, als Ehemann, als Liebhaber.
»Ja Doktor, so war’s: Kaum ist man innerlich zu etwas bereit, schon kommt es auf einen zu. Jetzt verstehe ich Shakespeare: Readiness is all! An sich wollte ich Ihnen das alles gar nicht erzählen, viel zu unwichtig, aber am eigenen Beispiel lernt man doch am meisten. Und am schnellsten. Und damit komme ich wieder zum Thema. Bereit sein ist wirklich alles. Denn es kann auch etwas Unerwartetes dazwischenkommen.«
Sein Blick, der diese Einsicht begleitet, entspricht einer Rüge für falsche Information. Dann berichtet er. Von Hilde. Zum erstenmal nennt er den Namen. Das Unerwartete, das dazwischenkam, sind Monikas Masern. Die Krankheit des Kindes hat Hilde nervös gemacht. Sie könne nicht so weitermachen, hatte sie tränenüberströmt erklärt, gleich am ersten Abend nach ihrer Rückkehr, hatte nicht gewartet, bis er ins Wohnzimmer trat, schon in der Diele, als sie die Tür öffnete, war es aus ihr herausgebrochen: Daß er zu seiner Familie gehöre und sie zu ihrem Kind. Monikas Masern seien wie ein Fingerzeig, wo sie ihren Platz habe. Und daß sie nicht mit ihm nach Santa Margherita fahren werde.
Unversehens gerät der Mitarbeiter aus der Schilderung ins Rezitieren, gibt nuancenreich Hildes Monolog wieder:
»Du meinst es gut, herzensgut, das weiß ich. Aber die Umstände sind einfach stärker! Was soll ich machen? Damit muß ich fertig werden! Auch du hast Verantwortung. Fünfundzwanzig Jahre Ehe! Es käme mir wie eine Todsünde vor, mich da hineinzudrängen! Als deine Frau kürzlich am Apparat war, ist mir das klargeworden. Laß uns, was war, als kostbare Erinnerung bewahren — kostbar hat sie gesagt! — und fahr mit deiner Frau nach dem Süden. Wie jedes Jahr. Bis ihr zurückkommt, habe ich mir eine andere Stelle gesucht, wahrscheinlich in einer anderen Stadt. Hier erinnert mich doch alles an dich. Und so weiter, du wirst nie mehr von mir hören und so fort. — Na, was sagen Sie jetzt?«
Es kommt die übliche Gegenfrage: Was er dazu gesagt habe.
Der Mitarbeiter nickt nur, steht auf, wechselt die Rolle und zitiert mit Pausen und Gängen
Weitere Kostenlose Bücher