Ich liebe mich
sein Modell...«
Sie erhob sich, ging zum Schrank, der hinter seinem Sessel stand. Er lachte.
»Suchst du den Ariernachweis? Wenn ich mich zurückversetze, bewundere ich deine Kaltblütigkeit. Es blieb einem ja gar nichts anderes übrig. Und man konnte doch allerhand machen, wenn man’s geschickt anfing. So sehr das heute bestritten wird.«
Sie stand noch hinter ihm.
»Wie gefällt dir eigentlich die >Dame mit Hut Du hast dich bis jetzt nicht dazu geäußert.«
Um eine gemäßigt-wohlwollende Formulierung ringend, dreht er den Kopf, überfliegt noch einmal das Bild, den großen Hut, entdeckt einen ähnlichen zweiten und, darunter in derselben Haltung mit untergeschlagenem Bein, aufgestütztem Arm, Elvira. Nackt wie auf dem Bild und trotz der Jahre, die dazwischenlagen, unverkennbar das Modell. Das Original stimmt mit dem Original überein, in neuer, erweiterter Auflage sozusagen. Lediglich ihr Busen vermag die lichte Höhe des alten Durchblicks nicht mehr zu gewährleisten.
Mit einem Griff nach dem Sektglas beendet Elvira die Pose.
»Dame mit Sekt! Wie gefällt dir das Motiv?«
Nicht mehr auf Zwiesprache gestimmt, bewundert er die Ungeniertheit des Modells, das seine Haut trägt, wie andere ein Modellkleid und weiterspricht.
»Zuerst hat er den Hintergrund gemalt. Am Kleinhesseloher See. Da war ich selbstverständlich angezogen. Den Rest haben wir dann im Atelier vollendet. 1938 hing das Bild auf der Kunstausstellung und bekam einen Preis. Wir haben uns riesig gefreut. Bis es eines Tages klingelt. Ich mache auf, draußen steht ein baumlanger SS-Mann. Ich denke schon, jetzt ist es aus, die sind hinter meine Großmutter gekommen. Da fällt mir auf, daß er mich so anzüglich anlächelt. Sofort fühlte ich mich sicherer. Ich hatte nur den Morgenrock über, wir waren mitten in der Arbeit. Da schlägt er auf einmal die Hacken zusammen und sagt: Der Führer hat das Bild >Dame mit Hut< gesehen und wünscht das Modell kennenzulernen. — Das konnten wir nicht riskieren. Dazu war meine Großmutter einfach nicht evangelisch genug. Glücklicherweise hatten wir einen Malerfreund in der Schweiz — man durfte ja damals nur zwanzig Mark mitnehmen — ich verschwand also Hals über Kopf und er ließ bestellen, das Modell habe sich bei Ausübung seines Berufes eine Lungentuberkulose zugezogen und liege in einem Sanatorium. Daraufhin, du wirst es nicht glauben, Pan, wurde auf Staatskosten in seinem Atelier eine gigantische Heizanlage installiert. Von der dann meine Nachfolgerin profitierte. Denn, bis ich zurückkam, hatte er sich, anderweitig umgesehen. Eine ordinäre Person! Sie ist später bei einem Luftangriff im Hotel Leinfelder verbrannt. Dort hatte sie offenbar noch einen. Die Überreste sollen jedenfalls sehr intim ausgesehen haben. Mir kam das Ende der Affäre im Grund ganz zupaß. Man konnte ja nicht wissen, ob Hitler noch mal nachfragt.«
Pan will bei dem Anblick, den sie ihm bietet, weder an den Maler noch an den Anstreicher erinnert werden. Sie aber schwingt noch nach. Mit Hut.
»Im Grunde war es eine schöne Zeit. Trotz allem. Nur ein Musiker hat gefehlt in meinem Reigen, ein Dirigent, ein Opernkomponist... Um so dankbarer bin ich dir für das schöne Abonnement.«
Summend naht sich Venus dem trutzenden Tannhäuser, nimmt seinen Kopf zwischen ihre Hände, birgt ihn begehrlich in der bebenden Bucht.
»Ist dir schon aufgefallen, daß wir in einer gewissen Gestimmtheit immer auf die Oper kommen?«
Tumb tändelt Tannhäuser.
»Eigentlich muß ich nach Hause.«
Doch die Daumen der Dame doppeln den Druck.
»Da bist du ja, da bist du ja.«
Schön so ein Frühstück. Frisch rasiert, frisch gewaschen, frisch im Munde, frisch die Wäsche, das Hemd, die Brötchen. In der Morgensonne wird die Sauberkeit zum Genuß. Ein gepflegtes Haus, geordnete Verhältnisse. Links vom Teller die Post. Und der Brieföffner. Morgenküsse. Gewohnheiten, zu Zeremonien gesteigert, geben Halt. Die Frau gepflegt und aufrecht, die Kinder ausgeschlafen, nach Jugend duftend, wohlerzogen. Fügsam der Hund, die Hausmädchen leise, exzellent der Kaffee. Dafür hat man gearbeitet.
Pan und Chef sind gerne Vater.
Stephanie vom Morgenritt durch den Englischen Garten nachglühend, fragt höflich, aber kategorisch:
»Papi, was ist eigentlich mit Herkules?«
»Mit Herkules? Was soll mit ihm sein?«
»Entschuldige Papi, man kann nicht einen Hund zuerst verhätscheln und dann gar nicht mehr beachten. Wenn er dir lästig ist, überlaß ihn
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