Ich liebe mich
anschließen — und über das Platzl zum Viktualienmarkt. Doch Pan kam später als abgemacht — zweimal rief er an, um sie zu vertrösten — Pflichten im Werk, sie verstand das. Ihr überdurchschnittlich abwechslungsreiches Leben hatte sie elastisch erhalten. Kein Bedauern, kein Vorwurf trübte das verschobene Wiedersehen. Elvira wählte den kürzesten Weg, was sie nicht hinderte, sich als Heimatkundige zu fühlen, die dem Fremden versteckte Reize erschließt.
»Das hier ist der sogenannte Alte Hof. Eines der ältesten Gebäude der Stadt. Pittoresk, nicht?«
Pan lächelte zurückhaltend. Er kannte das Gebäude. Es beherbergt die Finanzkasse. Auf dem Viktualienmarkt kauften sie Käse in großen Mengen, schleppten ihn in die Michaelskirche, ins Karl-Valentin- Мusäum im rechten Turm des Isartores, in ein Bräu, wo sie Brotzeit machten. Pan nutzte die Gelegenheit, Elvira mit Bier und Leberkäs versorgt zu wissen; er telefonierte mit Hilde und mit der Familie. Die Füße taten ihm weh, der Rücken, um so besser schmeckte danach das Faßbier. Elvira war voller Verständnis.
»Wie ich dich kenne, hast du mit dem Werk telefoniert. Das ist keine Erholung. Du mußt die Dinge trennen. Wenn du bei mir bist, entspanne dich. Dann schaffst du nachher das Doppelte in der halben Zeit.«
Pan entspannte sich bei einem dritten Glas Bier, das seinen dynamischen Führungsstil um eine bayerische Variante bereicherte: Am Nachmittag schaffte er die Hälfte des Gewohnten in doppelter Zeit.
Abends beim Konzert im Herkulessaal verschlief er den ganzen Tschaikowsky. In der Pause suchte Elvira nach Menschen, denen sie zunicken konnte, um gesehen zu werden, fand aber wenig Gelegenheit. Dafür wurde Pan erkannt. Brockhoffs grüßten überschwenglich auf größere Entfernung. Das Schlößchen sei ganz allerliebst geworden, er müsse unbedingt bald kommen. Mit seiner Frau. Und recht viele Grüße natürlich.
Zu Hause hatte er sich für den Abend abgemeldet: Geschäftsfreunde aus Istanbul, die seine Frau nicht mochte. Brockhoffs mochte sie auch nicht. Trotzdem: eine unnötige Begegnung. Für die nächsten Abende war er glücklicherweise vergeben: Geschäftsfreunde aus Frankreich, Arbeitgeberverband, Präsident der Industrie- und Handelskammer...
Elvira drängte, das seit Tagen ortsfeste atlantische Hoch nicht weiterziehen zu lassen, ohne einen ausgiebigen Spaziergang durch den Englischen Garten gemacht zu haben. Endlich nahm Pan sich Zeit. Er wollte sie am Chinesischen Turm treffen. Das sei unauffälliger. Man könne dort im Freien essen. Sie aßen nicht am Chinesischen Turm, sondern in Elviras Zimmer und gingen anschließend in den Englischen Garten.
»Da schauen’s! Die gnädige Frau und der Herr Direktor!« Die führende Klopferin des Anwesens trat mit der inzwischen gewordenen Mutter aus dem Parterre links auf die Straße und sah dem sich entfernenden Paar nach. Die junge Mutter staunte.
»Erst is er mit’n Chauffeur kemma, jetzt gehn’s allweil z’Fuß.«
Dazu die Klopferin exemplarisch:
»Und wann’s erst z’Fuß genga, — dann is Ernst.«
»Sehr richtig. Und stören tut sie neuerdings überhaupts nix mehr. Koa Teppichklopfn, koa Lumpensammler...«
»Logisch«, sagte die Ältere. »Des war nur ein verdrängter Mutter komplex!«
Der Blick vom Monopteros ist berühmt.
Dunstig und pastellfarben wächst die Silhouette der Stadt aus dem Grün des Parks: München, von Kobell gemalt, in natürlicher Größe.
Trotz der Wärme trägt Elvira ihren alten Lodenmantel. Dazu die neue Krokodilledertasche, mit der er sie heute überrascht hat. Den Blick auf die Frauentürme gerichtet sagt sie:
»Du brauchst einen Lodenmantel, Pan. Und einen Trachtenanzug.«
Hilde klopfte zweimal und führte die Männer von der Gewerkschaft herein. Der Chef, telefonierend, bedeutete ihnen Platz zu nehmen und drängte Elvira, das Gespräch zu beenden. Ohne Erfolg. Wenn er meine, daß vielleicht jemand mithöre — also das würde sie ja sofort abstellen! Schließlich sei er der Chef. Außerdem: Wer solle denn wissen, was sie unter >Oper< verstehen? Sie könne sogar Pan sagen und jeder unbefugte Lauscher würde glauben, sie spreche von der Pan American Airways. Nein, da müsse er sich keine Sorgen machen. Und wann er denn wieder Zeit habe?
Er machte wohl einen recht hilflosen Eindruck; die Männer von der Gewerkschaft sahen einander an, nickten solidarisch, bis der kleinste, ein Urmünchner aufstand, an den Schreibtisch trat, um dem
Weitere Kostenlose Bücher