Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
Vom Netzwerk:
Blockflöte, zum Cello, Hände, die sich um Advent erst richtig regen, wenn es gilt, den Lieben Freude zu bereiten mit selbstgefertigten Geschenken. Niemand brachte Hast mit herein, alles geschah gemäßigt, nüchtern und doch feierlich, wie nach einem ihm unbekannten Ritual.
    Auch Elvira hatte sich versammelt, legte die Hände auf ihre große Krokodilledertasche, der noch anzusehen war, daß sie einmal sehr teuer gewesen sein mußte, und blickte geradeaus zum Podium, auf dem ein Tisch stand, darauf ein Glas Wasser, dahinter ein Stuhl.
    Ach ja — hier hab ich Ruhe — Dichterlesung — hoffentlich kein Moderner — nicht einmal gefragt hab ich sie — vielleicht eine Art Wichert — oder Hesse — was hab ich früher gelesen — am meisten im Krieg — Zeit müßte man haben — wann kommt er endlich
    Er kam: untersetzt, schnell, grobknochig, mit eigensinnigem Haar, offener Jacke, sehr großem, locker geschlungenem Krawattenknoten zwischen sich von den Spitzen her aufrollenden Kragenenden.
    Ein kurzes Nicken in den ihn empfangenden Beifall, fester Griff nach dem Stuhl und ohne ein Wort der Einleitung begann er zu lesen. Zu leise anfangs, erst nach einem Räuspern gestaltvoll. Geschmeidige Sätze schlängelten sich durch die Reihen. Dieser Mann hatte seine Gemeinde, hohe Auflagen bestätigten ihn, daß er längst nicht mehr zögerte zu glauben, er habe etwas zu sagen.
    Allein wie er ein Kindergespräch schilderte, so unbekümmert erwachsen und trotzdem voller Unschuld, wie er ihre Stimmen nachahmte, großväterlich, von keinerlei Talent beschwert — da ging ein Jauchzen durch den Saal, ein Wonneraunen. Elvira drückte Pans Hand. Er nickte. Erst nach der Pause, als der Dichter religiösen Spritzguß auftischte, faßte Pan seine Eindrücke — stumm — zusammen: Bestätigungsliteratur für eine heile Welt.
    Im Strom der Gemeinde erreichten sie mit kleinen Schritten die Garderobe.
    Elvira legte den Kopf zurück.
    »Ich habe eine Überraschung für dich. Wir sind noch mit dem Meister und ein paar Freunden zum Umtrunk eingeladen.«
    In einer Allerweltsgaststätte sahen sie den plötzlich viel kleineren Dichter wieder. Matter Händedruck, Murmeln der Namen als Formel, nicht zum Einprägen. Auch die Ehefrau wurde präsentiert: duldsame Magd für hausgemachten Genius.
    Elvira drängte mit Pan zum oberen Ende des Tisches, doch der Meister durchkreuzte ihre Absicht.
    »Sie kommen zu mir! Ich weiß gern Männer um mich.« Dichter und Wirtschaftsführer standen Aug in Aug. Elvira strahlte wie eine stolze Mutter und setzte sich gegenüber. Der Dichter beugte sich über den Tisch.
    »Na Elvirachen, hast du immer noch so schöne Beine?«
    Sie lächelte dankbar und wandte sich an seine Frau.
    »Er kann’s nicht lassen! Kaum gesehen, macht er sich schon wieder lustig über mich.«
    Elvira wartete auf launige Zustimmung. Aber die Stimme der Poetenfrau klang wenig duldsam.
    »Seine Komplimente nimmt er ernst. Immer noch. Das dürften Sie doch wissen!«
    »Das walte Gott!« sagte der Dichter. »Solange ich das Schöne auf der Welt noch wahrnehme, weiß ich, daß ich noch nicht zum alten Eisen gehöre.«
    Die Auserwählten lachten, hauptsächlich die Damen. Für eine Weile beherrschte das Essen unverdienterweise die Runde. Vereinzelte Komplimente nahm der Dichter kauend auf. Wie selbstverständliche Beilagen. Seine Frau schwieg. Sie kannte diese Abende mit Freunden nach der Lesung. »Und wie hat es Ihnen gefallen?« wandte sich der Dichter an den Wirtschaftsführer zu seiner Linken.
    Elvira gab Hilfestellung.
    »Du hast dich noch gar nicht geäußert.«
    Aus Gedanken aufgeschreckt, wischt der Angeredete mit der Serviette über den Mund. Dem Dichter dauerte das zu lange. »Finden Sie es nicht traurig, daß ein Mann in meinem Alter von Stadt zu Stadt reisen muß, um vorzulesen?«
    Er wollte antworten, hatte schon Vokabeln aussortiert; im Bilden von Sätzen aber war der Dichter schneller. »Manchmal ist es recht anstrengend, das dürfen Sie mir glauben. Aber wenn ich dann wieder oben sitze und sehe, daß ich Menschen glücklich machen kann, daß sie das Wort brauchen, dann weiß ich, daß ich das meiner Gemeinde ganz einfach schuldig bin. Außerdem reist meine Frau gern. Wir haben einen sehr schönen Besitz am Luganer See. Wir gehören zu den Alttessinern. Ab und zu will man doch raus. Und da nehme ich meine Frau eben mit. Das bin ich ihr schuldig. Sie hat’s nicht leicht mit mir. Ein produktiver Mensch wie ich braucht

Weitere Kostenlose Bücher