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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Anregungen.«
    Wie aufs Stichwort legte er die Rechte um die Schulter seiner Frau. Seine Worte galten allen.
    »Wir sprechen gerade von meiner Frau, die mir eine unersetzliche Stütze ist. Mein moralisches Korsett sozusagen...« Gerührt lächelten die Auserwählten, wie ihresgleichen auch in anderen Städten. Die Feststellung gehörte zum Repertoire. Leise fuhr der Meister zu seinem Nachbarn gewandt fort.
    »Ein wunderbarer Mensch, meine Frau. Sehr großzügig. Ich würde sie nie verlassen, auch jetzt nicht, wo sie alt ist. Obwohl, es gibt Begegnungen, die schicksalhaft sind, wo ein Grad an Übereinstimmung erreicht wird, daß landläufige Moralvorstellungen gar nicht mehr existieren! Ganz zu schweigen vom künstlerischen Niederschlag. Ja, es ist nicht immer leicht. Für beide nicht. Ich möchte fast sagen: Je erhabener desto schwieriger...«
    Wie recht hat Elvira — paradoxe Harmonie — ein Werk gestalten und dabei Mensch bleiben mit allen Anfechtungen — Verschmelzung von Leben und Kunst zur Lebenskunst — Eros schlechthin — einseitig habe ich gelebt — schlechtes Gewissen — wie kleinlich — man muß die Dinge trennen — und verbinden

    Elvira streckte sich im durchgesessenen Polster des Taxis. »Ein herrlicher Abend! Ist doch etwas anderes, wenn man einen Mann zur Seite hat. Du scheinst großen Eindruck auf ihn gemacht zu haben. Ich war sehr stolz auf dich! Nun habe ich überhaupt eine Schwäche für Männergespräche. Außerdem siehst du sehr gut aus, wenn man dir gegenübersitzt. Kommst du noch auf einen Sprung rauf? Es ist so deprimierend, immer allein heimzugehen. Ich habe eine Flasche Sekt kaltgestellt. Wir wollen den Abend ausschwingen lassen.«
    In der vollgestellten Wohnung roch es nach Kaffee. Doch hinter diesem Duft lauerte das Gemuffel alter Polstermöbel. Als er in der Manteltasche nach seinem Feuerzeug suchte, fand er das vergessene Kuvert, das ihm Hilde am Nachmittag zugesteckt hatte und gab es Elvira.
    »Ein Opernabonnement! Oh, Pan! Daß du daran gedacht hast! Wie lieb, wie aufmerksam von dir.«
    Sie verschwand ins Bad. Er ging auf und ab. Vom verhängten Regal zur aufklappbaren Doppelbettcouch, von der Heizung zum Fenster, vom Schrank zum Teewagen mit dem Fernsehapparat. Hier blieb er stehen und betrachtete das Bild darüber. Ein Ölbild. Weiblicher Akt mit Hut, halb von hinten, vor einem Teich voller Schwäne. Der Manier nach — soweit er sich darauf verstand — in den dreißiger Jahren gemalt.
    Beim Sekt wollte sich trotz des weißen, mit Rosen übersäten Morgenrocks und Elviras gespeicherter Freude, keine Ausklangsstimmung einstellen. Nach der Auseinandersetzung mit den Männern der Gewerkschaft, einer Betriebsbesichtigung mit Geschäftsfreunden, der Lesung und dem Dichter privat — obendrein war wohl wieder Föhn — empfand er sich als der Ruhe bedürftig. Um wenigstens nicht reden zu müssen, suchte er ein Thema für sie.
    »Warum hängst du dieses Bild hier auf? Ist es nicht ein bißchen groß für den kleinen Raum?«
    »Findest du? Immerhin stellt es einen gewissen Wert dar. Es bekam seinerzeit sogar einen Preis. Aber das ist eine lange Geschichte, die erzähle ich dir ein andermal. Jetzt laß uns gemütlich sein.«
    Und während er an der Hausmarke nippte, erzählte sie die Geschichte, indem sie mit einer anderen anfing, die, wie sich bald herausstellte, genauso dazu gehörte, wie eine weitere Geschichte, die sie ebenfalls erzählte. Zunächst verbreitete sie sich über Kunst und die Wichtigkeit, von erfahrenen Kennern in ihr Wesen eingeführt zu werden. Nur so könne man mit der Zeit zu eigenen Anschauungen gelangen, nur so habe man wirklich etwas davon.
    Pan nickte verständnisvoll, wie einer, der nicht zuhört, weil er etwas anderes sagen möchte und solange er dazu nicht kommt, bemüht bleibt, sein Thema nicht dadurch zu verlieren, daß er auf das des andern eingeht: Beim Abendessen waren ihm Blicke aufgefallen, die sie mit dem Dichter gewechselt hatte. Sie ließen auf eine Vertrautheit schließen, die das unter Bekannten übliche Maß überstieg. Andererseits: Wußte der Dichter, wie er zu Elvira stand? Während er darüber nachsann, kam Elvira doch noch zum angekündigten Thema. Wenn auch über neuerliche Umwege.
    »So peu à peu wuchs sich die Bekanntschaft mit dem berühmten Architekten zu einer Freundschaft aus und allmählich zu einer Beziehung. Zwei Jahre mit so einem Mann — da weiß man Bescheid über Statik, Walmdächer, Pilaster, rhythmische Travée,

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