Ich liebe mich
äußert der Ministerpräsident einen Wunsch aus dem Mundwinkel. »Unser letztes Gespräch, Sie wissen schon, erwähnen wir am besten nicht.«
Sein Einverständnis nickend zu bekunden wagt der Wirtschaftsführer nicht, kommt auch nicht dazu. Ein Mann hat einen großen Kasten auf den Tisch gestellt, eine Puderquaste herausgenommen und beginnt, ihn süßlich einzustauben.
»Bitte auch die Hände!« kommt es von oben. Mit feuchtkühlem Schwämmchen werden die beanstandeten Extremitäten getönt. Beim Herrn Ministerpräsidenten sei alles in Ordnung, heißt es. Der Tisch wird noch ein wenig herumgeschoben, an einem langen Stiel dreht sich über ihnen ein Mikrophon. Keine Kommandos; der Wirtschaftsführer nützt die Pause.
»...meiner Perspektivierung nie Intensivierung einer Verselbständigung...«
Stentor unterbricht.
»Herr Direktor, wie sitzen Sie, wenn Sie sprechen?«
Das ist, so direkt gefragt, schwer zu sagen. Er dreht den Kopf, höflich die Quelle der Stimme suchend, weiß nicht, wie er das verstehen soll.
Stentor unterbricht.
»Sie müssen bitte ins Mikrophon sprechen. Wir können Sie nicht verstehen.«
Er hebt den Kopf, zu dem Mikrophongalgen über sich.
»Ich sagte, ich sitze an sich...«
Stentor unterbricht.
»Herr Direktor, Sie müssen zum Herrn Ministerpräsidenten sprechen, ganz normal. Wir machen eine Probe. Herr Ministerpräsident, bitte.«
Der Landesvater wendet sich ab, lächelt zu einer Kamera.
Woher weiß der das alles — keine Intensivierung einer — jetzt kommt’s drauf an — nicht bei Verselbständigung zurücklehnen
Der Landesvater dreht sich auf der Mittelachse wie ein Raddampfer, lächelt herüber, voll des Jovialen in verständlichem Bayrisch, beugt sich vor, zeichnet mit schweren Händen Filigran in die Luft, auch der Wirtschaftsführer beugt sich, dreht sich, bleibt allgemein, läßt dem Ministerpräsidenten die Pause zum Lob auf die Berichterstattung — es klappt — bei Verselbständigung trommelt er unterstreichend auf die Tischplatte...
Mächtiges Halt aus dem All.
»Herr Direktor! Bitte nicht trommeln! Das hört sich an, wie Kosaken auf Pflaster. Wir haben ein Mikrophon in dem Blumenstock. Sehr gut, Herr Ministerpräsident! Bei dem Wort >Allgemeinwohl< fassen Sie sich wieder an die Krawatte, das kommt sehr gut. Und Sie, Herr Direktor: Wippen Sie nicht bei >Krise abgewendet<. Und murmeln Sie keinen Text. Bei >jeder Bürger hat ein Recht< schneiden wir. Bitte noch mal.«
Die Mächtigen sammeln sich. Mit der geschminkten Hand greift er nach dem Puls. Rot leuchten die Ohren des Ministerpräsidenten, feucht glänzt sein Nacken. Der Puls schlägt wieder langsamer.
Halt aus dem All.
»Maske! Die Nase vom Herrn Direktor!«
Ein feuchtes Leder reißt ihn aus der Konzentration, nimmt, wie eine Löschwiege geführt, Nasenglanz, Bürste striegelt die Schläfen, Hände arrangieren seinen Arm auf der Lehne — Puppenrichten im Schaufenster der Nation. Aber das All ist noch nicht zufrieden.
»Kann er nicht etwas höher sitzen?«
Gelegenheit zu memorieren. Ein Kissen wird gebracht, die prominente Puppe neu gruppiert. Der Landesvater streckt sich.
»Dees is vielleicht a G’schäft! Da bin i scho lieber Ministerpräsident.«
Allgemeines Gelächter.
»Können wir? Bis die Ampex so freundlich ist — bitte.« Pulsbeschleunigung. Der Landesvater dreht sich weg, träufelt alpenländische Staatsräson in die abseits stehende Kamera. Ruhig ganz ruhig — bei >Bürger< bin ich drin — nicht wippen
Er legt die Hand auf den Tisch, zieht sie zurück.
Der Landesvater faßt sich bei >Weltstadt mit Herz< an die Krawatte, statt bei >Allgemeinwohl<, aber die reden, mit fiebrigen Augen und heißen Ohren, wie Kinder beim Gedichtaufsagen, sind nett zueinander und zum Volk, gespannt leger, umschiffen die Wahrheit, Substantive häufend auf — heit, — keit, — ung und — lichung. Glänzende Stirnen, doch Fingergetrommel, diesmal wippt der Landesvater — in der Sache aber bleiben sie unwiderlegbar allgemein. Schlußapotheose mit verteilten Empfehlungen.
»...für eine gesunde Wirtschaft...«
»...und den Frieden in der Welt.«
Mund zu. Hörbar geht der Atem, es perlt von den Stirnen der Mächtigen, die da nicht wissen, ob und wo noch eine Kamera läuft. Endlich das befreiende »Danke«.
Der Landesvater hakt einen Finger in den Kragen.
»Mir war’n fei guat!«
»Sehr gut, Herr Ministerpräsident!« kommt es aus dem alles hörenden All zurück. »Nur den Herrn Direktor hat man
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