Ich liebe mich
bisweilen nicht verstanden. Aber das macht nichts. Die Krawatte war ja noch nicht da.«
»Is da!« ruft der sogenannte Jochen, tritt ins Licht und hält einen vorgeknoteten Binder mit Halsklammer hoch.
»Okay. Jetzt warten wir nur noch auf die Ampex.«
»Schade«, sagt der Vater im Kreise seiner Lieben. »Beim ersten Mal waren wir viel besser.«
»Sei still, Papi. Du sagst gerade was Gescheites.«
Stephanie sitzt auf der Sofalehne, den Arm auf seiner Schulter. Er findet sich vertrauenerweckend, seine Hände ungemein sensibel neben denen des Landesvaters; sogar die Familie schweigt unter dem doppelten Eindruck seiner Persönlichkeit. Nach dem deutschen Amen — Treuegelöbnis zu Berlin — und der verteilten Schlußapotheose sagt Golo: »Baldrian fürs Volk.«
Niemand hört ihn. Zu groß ist die Freude. Die Vaterhand greift nach der Tochter, sein Blick hebt sich, na wie war ich?, zum Auge der Gattin.
»Du bist sehr telegen. Aber du solltest dir die Zähne richten lassen!«
Man ruft an. Sie nimmt die Gespräche entgegen, die Freundlichkeiten über ihren Mann, den fabelhaften, und so witzig und besonnen, anfangs dachte man doch, aber jetzt, diese Haltung, man habe es schon immer gewußt.
Sie dankt, sagt ihm, was man sagt, und daß offenbar alle fernsehen, obwohl sie das immer bestreiten. Sie freuen sich miteinander, die beiden Ehewesen, freuen sich, daß sie sich so freuen können. Als es wieder klingelt, nimmt er selbst ab.
»Pan! Entschuldige. Ich muß dir sagen...«
Er weiß, was sie sagen muß, und sagt der Familie, indem er den Hörer zuhält:
»Elvira!«
Seine Frau geht aus dem Zimmer, wie man als Fremder aus dem Zimmer geht, wenn jemand telefoniert. Die Zwillinge bleiben. Mitunter hören sie die resolute Stimme. Aber nur Pan vernimmt Elviras Dank und ihre Bitte um Verzeihung. Erst jetzt habe sie erfahren, welche Sorgen er mit sich herumgeschleppt hat. Jetzt verstehe sie seine Nervosität, seinen Zusammenbruch. Man wolle doch vergessen, ja? Sie hätte nicht mehr angerufen nach allem, aber sie habe ihn einfach sprechen müssen, nach dieser großartigen Sendung. Gemessener Dank, doch, doch, man sähe sich wieder, nur enorm viel Arbeit zur Zeit, außerdem müsse er sich die Zähne nachsehen lassen.
»Zähne wieso? Hast du Schmerzen? Wenn ich dir irgendwie helfen kann, du weißt, ich bin immer für dich da.«
Auch im paneelierten Restaurant der Aufsichtsräte und Bankiers machte man ihm Komplimente; Ober und Garderobiere inbegriffen. Alle hatten ihn gesehen. Sogar der Doktor.
Heute will sich der Besucher nicht legen, keine Träume aus ungemütlichen Tiefen heraufholen, heute sitzt er.
»Unter uns, Doktor, bei aller journalistischen Kosmetik, die man meinem Image derzeit angedeihen läßt — es war ganz anders, ich glaube, ich sagte es schon: ich habe nicht taktiert, nicht mit der Wahrheit geblufft, es hatte psychische Ursachen. Ich war verspannt nach der Salzburgreise, hatte das Bedürfnis, Dampf abzublasen. Und hab’s getan. So kannte man mich nicht. Meiner Ehrlichkeit war niemand gewachsen. Daran sind Sie nicht ganz unschuldig, Doktor! Ihr Bild mit den kleinen Hündchen, die die andern an der Leine spazieren führen, hat mich letztlich dazu angeregt, auch dem eigenen Köter mal Leine zu lassen. War eine gute Information! Und von mir gut umgesetzt, das müssen Sie sagen. Nicht ohne Ironie! So lasse ich mir Psychologie gefallen. War höchste Zeit, ich hatte wieder Beschwerden, und einen gräßlichen Traum: fettes Weib in der Zerreißmaschine, Blut, Eiter, Knochensplitter — alles flog mir um die Ohren und stank fürchterlich. Nun ja, wieder mal zu schwer gegessen, weiter nichts. Jedenfalls tut es nach solchen Nächten gut, ein Ventil aufzumachen. Ich praktiziere das jetzt als Autotherapie, wo immer es sich machen läßt. Kürzlich bei einem ganz anderen Anlaß habe ich mir einen kleinen Ausbruch geleistet, ganz bewußt. Bei jener Dame. Vielleicht lag’s auch am Wein, nun, was sage ich Ihnen: ein Glück, daß mein Herz noch rechtzeitig streikte! Wenn man die Tür zu seinem Unbewußten, oder sagt man Unterbewußten?, nur ein bißchen aufmacht, wirken die zehn Gebote wie Hustenbonbons gegen Krebs. Aber man hat dann doch so etwas wie einen Schutzengel. Gott sei Dank. Oder was meinen Sie?«
Für den Therapeuten sind die Zusammenhänge klar. Patienten sagen immer das Richtige, nur verstehen können sie’s nicht. Was aber soll der Doktor diesem Besucher, der nicht Patient sein will, antworten? Als
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