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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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weiter.
    »Haben Sie Ihren Chauffeur dabei?«
    Als Pan den Kopf schüttelte, strahlte die Ferienfreundin. »Da haben Sie recht. Ich habe meinen heute nach Hause geschickt. Mit meinem Mann.«
    Das Gefühl, jemand stehe hinter ihm, trügt nicht.
    »Ah, da ist sie ja, die liebe Nichte! Babette — so war doch der Name? Was, der Pudding ist für mich? Der ganze Pudding? Hier geht’s mir aber gut! Hier bleibe ich!« hört Pan sich gravitätisch scherzen und kommt sich albern vor. Ihr Gang erinnert ihn an Stephanie. Auch das Gefühl, beobachtet zu werden, während er ihr nachschaut, erweist sich als richtig. »Ist Babette Ihre Morgenfreude?«
    Pans ratloser Blick ließ die erfahrene Ferienfreundin fortfahren, ohne eine Antwort abzuwarten.
    »Das Mädchen, das uns morgens weckt, mit einem Lied, einem Trunk, oder was sonst Sie sich wünschen, um sonnig zu erwachen, nennen wir Morgenfreude. Denn es ist eine Morgenfreude, wenn ein junges, frisches Geschöpf...« Glasklarer Glockenklang; die Köpfe drehten sich; die Leiterin öffnete das Gatter ihrer kräftigen Zähne.
    »Heute ist Johannistag. Wir wollen uns, wenn Sie verdaut und sich umgezogen haben, im oberen Saal einfinden und mit Tanz beginnen.«
    Ein Wonnejauchzen hallte durch den Raum. Noch einmal öffnete sich das Gatter.
    »Um gleich einem Irrtum vorzubeugen: Wir tanzen hier nicht aus Erotik, wir tanzen aus Hygiene.«
    Gäste und Gästinnen lächelten, erhoben sich von ihren Plätzen und gingen hinaus. Die kräftigen Zähne aber näherten sich Pan.
    »Sie nehmen doch an unserer Abendfreude teil?«
    »O ja... natürlich... gerne.«
    »Das ist vernünftig. Hier wird zwar niemand zu etwas gezwungen, Freiheit ist das höchste Gut, aber schlafen könnten Sie bei dem Treiben nicht.«
    Er fragt nach neuen Zeitungen, die es nicht gibt, läßt sich belehren warum: »Wir dulden nicht, daß unsere Gäste den Alltag mit sich herumschleppen!«, läßt sich von der Telefonistin mit Hilde verbinden, da es schon spät ist, mit ihrer Privatnummer. Kinderstimme am anderen Ende.
    »Hier ist Monika... Wer bist du?... Ja, die Mutti is da. Grade is sie nicht da... Wer is denn da?«
    Zu Hause bei seiner Familie meldet sich überhaupt niemand. »Danke Fräulein...«
    »Elke.«
    »Elke. Ja richtig! Man sagt hier den Vornamen!«
    »Viel Spaß nachher.«
    »Und Sie? Sie kommen nicht?«
    »Sowie ich hier fertig bin. Die Abendfreude laß ich mir nicht entgehen. Noch dazu an Johannis.«
    Mit Johannis muß es eine besondere Bewandtnis haben, sagt sich Pan.
    Von oben Klavierspiel, eine Polka. Auf der Treppe kommt jemand entgegen. Pan sieht nicht auf. Es hat etwas für sich, nicht grüßen zu müssen. Andrerseits kann einen jeder ansprechen. Also keine Blicke. Ein unerklärliches Rascheln läßt Pan von seinem Vorsatz abweichen. Vor ihm auf der Treppe stehen zwei Ferienfreunde mit hohen Schultern und tiefen Bäuchen. Ihre Häupter sind von Eichenlaub und Tannenzapfen umkränzt, ihre Beine stecken in kurzen Hosen, aus denen es grünt und keimt, so üppig, daß Haut und Haar nur im Kniebereich gelegentlich hervorlugen.
    Das Bild einer längst vergessenen Aufführung des »Sommernachtstraums« aus Gymnasiastentagen steigt in seiner Vorstellung auf. Damals war er einer der Schratte.
    Indigniert messen die grünenden Ferienfreunde seinen korrekten Anzug.
    »So wollen Sie zum Johannistanz?«
    Pan nicht. Kopfschüttelnd geht Oberons Ältestenrat weiter. Das Polkastampfen war immer lauter geworden. Jetzt klang es nach Kosakenballett. Pans Auge tauchte in die Johannisnacht. Oder Walpurgis? Schratte im Reigen mit Nymphen und Nornen, in wallenden Gewändern, auf bloßen Füßen, wonnelaunig, körperfroh. Jemand sagt, er möge doch hinzutreten. Pan übt Zurückhaltung. Aber da sind die kräftigen Zähne:
    »Jetzt kommt der Umtanz! Umfassen Sie mich!«
    Atemnähe, sehniger Leib gewebeumwallt, Hand in der seinen, mit kurzen Nägeln, vom schuppenden Halbmond weiß gesprenkelt. Wink zum Klavierspieler, Wechsel zum Walzer und körperfern nach Art des Hauses dreht er die lustvoll sich von ihm weglehnende Leiterin im Kreise. Elvira wird vorbeigeschwebt von einem kahlen Faun.
    »Macht es dir auch so viel Freude?«
    Pan war nicht der einzige Zivilist unter Schratten. Auch andere hüpften ohne Grünzeug, auf blauen und schwarzen Beinen, ohne Jacken mit wehenden Krawatten. Er folgte ihrem Beispiel, legte das Sakko auf das Klavier; jemand zupfte an ihm: eine temperamentvolle Hygienikerin, schlohweiß, vitaminprall,

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