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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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Lehrstoff ist Psychologie spröde. Informationen, allein dem kritischen Verstand überlassen, fordern Widerspruch heraus: zu simpel, oder: um drei Ecken gedacht. Verstehen erfordert Identifikation. Obwohl nur als Informant angesprochen, ist der Doktor einbezogen. Und hält kommunikative Distanz.
    Seine Frau saß im Bett und las in ihrem Tagebuch, überflog die auf bewahrten Kleinigkeiten: Blick aus dem Fenster in den Garten, Spaziergänge, meist allein, Gedanken über den Gatten, sein Ehrgeiz, seine eitle Karitas, seine Zutraulichkeit, wenn sie ihn bewunderte, seine Naivität bei aller, wenn auch einseitigen Klugheit, Aufzeichnungen über Ereignisse und die Ruhe, in die sie sich verliebt hatte. Sie las, daß sie eigentlich zufrieden war, und wußte nicht recht, was sie dem hinzufügen sollte.
    Ein merkwürdiger Zustand..., schrieb sie.
    Er war zum Mittagessen dagewesen, hatte Stephanie geneckt und sich über Golos Sparsamkeit lustig gemacht. Er war heiter und gelöst gewesen.
    »So, liebe Kinder, jetzt gehen die Eltern spazieren!« hatte er nach Tisch verkündet. »Komm, Mütterchen!«
    Sie waren an die Isar hinuntergefahren, mit Herkules, und flußabwärts gegangen. Er hatte Ansichten geäußert, über die sie sich freute, weil sie vernünftig klangen, ohne ihm jedoch glauben zu können.
    »Wenn ich noch einmal jung wäre, ich würde alles anders machen«, erinnerte sie sich seiner Worte. »Die Zeit vergeht, und eines Tages steht man da und sagt sich: Alles, was ich wollte, habe ich erreicht. Aber man freut sich nicht; der ganze Ehrgeiz war umsonst. Irgend etwas fehlt...«
    Sie hatte keine Fragen gestellt; er war immer mitteilsamer geworden.
    »Man hätte musischer leben sollen, leichtsinniger, geistiger, weniger nach außen, improvisierter, weniger festgelegt, mit mehr Kontrasten. Wir sind zu alt für unser Alter, hätten mehr reisen sollen, zum Vergnügen, nicht nur geschäftlich, interessante Menschen kennenlernen statt die Betriebe der Konkurrenz.«
    Sie hatte das Alter verteidigt, die endlich gewonnene Ruhe, — um Gottes willen nicht noch einmal jung sein müssen! — hatte ihm zugestimmt, ihre Ansichten begründet:
    »Verstehst du jetzt, warum mir Schmuck und Repräsentation nichts mehr bedeuten? Es klingt arrogant, aber: warum diese Wichtigkeit um das bißchen Leben?«
    Er hatte gelacht, sie um die Schulter genommen und war ihr in seiner Fröhlichkeit auf neue Weise fremd.
    Schade.
    Er lag nebenan, flach auf dem Rücken, für seine Begriffe entspannt und versuchte den Atem zu drosseln, was ihm nicht gelang, weil er seine Konzentration pendeln ließ, zwischen Drosseln und Registrieren des Erfolges und gleichzeitig noch bemüht war, die angespannte Entspannung mit positiven Gedanken zu vertiefen.
    Sie versteht mich nicht — entwichtigen heißt nicht resignieren — so alt bin ich nicht — hoffentlich kann ich schlafen
    Als das Mädchen am Morgen an seine Tür klopfte, schlief er tief. Die kalte Dusche nahm ihm seine Benommenheit. Stephanie wartete unten an der Treppe.
    »Mensch, Papi, du brauchst ja eine Ewigkeit, bis du fertig bist!«
    Beim Einsteigen in ihren kleinen Wagen wurde die ungewohnte Reithose zum Problem, das er jedoch überspielte, indem er die Luft anhielt und sich aufwendig leichtgliedrig hineinzwängte.
    »Höchste Zeit, daß du mal ein bißchen Sport treibst, alter Herr! In vierzehn Tagen kannst du in der Hose sogar frühstücken. Wirst schon sehen! Hör auf deine Tochter!«
    Auf dem Reitplatz gab er sich noch elastischer, verweigerte den Mountingblock, den ihm der Stallbursche hingestellt hatte. Er hob das Bein und zielte, beide Hände zu Hilfe nehmend, mit der Fußspitze in den Steigbügel; ein großes Glücksgefühl stellte sich ein: Er saß im Sattel.
    »Prima, Papi. Ich wollte schon den "Wagenheber holen!«
    Er konnte nicht antworten, war zu beschäftigt, versuchte sich seiner theoretischen Kenntnisse zu erinnern. Denn eines hatte er nicht vergessen: Reiter sind, wenn sie sich von ihresgleichen beobachtet fühlen, wie Segler, wie Jäger, wie Angler, wie Golfer, auf zunftgerechte Handhabung und Haltung erpicht.
    Während der Stallbursche die Steigbügelgurte verkürzt, memoriert er.
    Kein Hohlkreuz — Absätze nach unten — Schenkelschluß — Zügel aufnehmen »Na Papi, wird’s geh’n?«
    Stephanies "Worte veranlassen den Stallburschen zu einer Warnung.
    »Sein’s vorsichtig! Des is a Araberstute, noch ziemlich jung und sakrisch empfindlich im Maul! Lassen’s bloß die Peitsch’n

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