Ich liebe mich
Handgelenke, das rasende Herz zu beruhigen, greift zum Telefon und klingelt ins Leere. Bis der Morgen graut. Eine sichere Freude wird der Tag bringen, eine >Morgenfreude< sozusagen: Stephanies Kuß, wenn sie mit roten Wangen vom Reiten kommt. Er reitet seit den Ferien nicht mehr. Sie drückt seine Oberarme, sieht ihn an.
»Papi, versprich mir, daß du endlich zum Arzt gehst. Diese Tränensäcke unter den Augen — da ist was mit den Nieren. Sagt Golo auch. Du mußt nachsehen lassen. Ich mache mir ernstlich Sorgen.«
Sie legt den Kopf an seine Schulter, hält sich fest. Seine Anspannung schwindet, Wärme durchdringt ihn, Frieden.
Gerädert fährt der Chef ins Werk, greift zum Telefon, klingelt ins Leere. Sie wird in der Dolmetscherschule sein. Nachmittags nimmt er einen VW aus dem Werkspark und fährt zu ihr. In der Ludwigstraße stauen sich die Wagen. Um diese Tageszeit kennt er die Innenstadt nicht. Vom Werk nach Hause, mit Chauffeur, geht es immer zügig voran. Wie vermutet, ist Babette nicht da. Er wartet im Wagen. Endlich! Scharf fährt sie an den Bordstein, unmittelbar vor ihm. Erst als sie unerwarteterweise rechts aussteigt, erkennt er den kurzgeschnittenen Haarschopf hinter dem Lenkrad. Schon zieht der Wagen aufheulend davon.
Kühle Begrüßung.
»Wer war das?«
»Ein Bekannter. Er bringt den Wagen zum Kundendienst.« Im Nestchen klingelt das Telefon, gleichsam zur Begrüßung. Babette nimmt ab, sagt freimütig, sie könne im Augenblick nicht reden. Er tut so, als überhöre er, was sie sagt. Auf dem Tisch stehen ein voller Aschenbecher und zwei Gläser. Er tut so, als bemerke er nichts, zieht seine Überraschung, eine Perlenkette, aus der Tasche, legt sie in gefällige Kurven, geht in die Küche, um Tee zu machen.
Keine Sentimentalitäten — ganz sachlich bleiben — das mag sie
Vergeblich sucht er das Glas mit ihrer Lieblingsmarmelade. Sie kann unmöglich schon alles aufgegessen haben. Auch andere Bestände sind überraschend gelichtet. Mit Tee und Keksen kommt er zurück. Die Perlenkette liegt noch da, wie er sie hingelegt hat. Babette sitzt daneben und liest Zeitung. Er schenkt ein, reicht ihr die Tasse, bekommt ein >Danke< und beeilt sich, ihr Feuer zu geben, als sie, die Zeitung auf den Knien, nach einer Zigarette angelt.
»Nun?« fragt er nach längerer Pause, um ganz sachlich zu bleiben. Rauchend weiter lesend antwortet sie.
»Kannst sie gleich wieder mitnehmen. Schenk sie deiner Tochter.«
Er lacht wie ein Kamerad.
»Aber Kleines, was soll das?«
»Das frag ich dich!«
Er nimmt die Kette, hält sie ihr an den Hals, sachlich prüfend, wie sie sich ausnimmt. Sie befühlt die großen Perlen in der Mitte, seine Hände überlassen sie ihren Händen. Er sieht seine Taktik bestätigt. Da sagt sie:
»Ich will meine Schulden bei dir nicht vergrößern.«
Schröders hatten gebaut und baten zum Housewarming, wie auf der Karte zu lesen stand. Da konnte man nicht absagen. Es traf sich günstig, daß Babette am selben Abend zu einem Vortrag in englischer Sprache wollte oder sollte. Sie war aufgehoben für ein paar Stunden, und er wußte wo. Am Spätnachmittag kam er nach Hause und fand seine Tochter im Wohnzimmer. Wie immer lustig-zärtliche Begrüßung. Seine Frau, erfuhr er, sei noch beim Friseur. Vater und Tochter tranken einen Sherry, der neben anderen Flaschen auf dem kaltblanken Silbertablett immer bereit stand.
Er genießt die wohlgepflegte Häuslichkeit, hält Stephanies Hand, von der Wärme in ihn überströmt, schwingt, ohne loszulassen, mit dem Arm, um sie, gleichsam aus Übermut, länger festhalten zu können, geht mit ihr durch den Raum, findet einen ironischen Ton:
»Nutz deinen Vater aus, Kleines! Er ist in Geberlaune.«
Das ansehnliche Kind macht große Augen.
»Was ist denn passiert?«
»Nichts. Ich freue mich an dir. Möchtest du, sagen wir, vielleicht eine... Perlenkette?«
Stephanie war gerührt, dankte ihm mit einem Kuß. Aber sie äußerte keinen Wunsch, das verwöhnte Kind. Die Perlenkette der Tochter aus gutem Hause hatte sie zu ihrem achtzehnten Geburtstag bekommen. Eine zweite wollte sie nicht. Wozu?
Seine Frau kam. Trug eine Perlenkette. Mit einem ähnlichen Schloß. Der Juwelier hatte beim Kauf schon darauf hingewiesen. In manchen Branchen ist aufmerksame Kundenbetreuung von Indiskretion kaum zu trennen.
Beim Umziehen, zwischen Bad und Ankleidezimmer pendelnd, glich der Ehedialog den ersten Abendnachrichten des Rundfunks. Man erfuhr Tagesneuigkeiten. Golo hatte
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