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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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unterbricht.
    »Bitte: was Ihr gegessen habt, interessiert mich jetzt nicht. Ich muß morgen früh raus.«
    Er ist hinter sie getreten, will etwas fragen, seine Hände kommen ihm zuvor, schälen eine Schulter aus ihrem Kleid. Endlich findet sie den ersehnten Ton.
    »Du hast mich so lange allein gelassen. Viel zu lange! Weißt du das?«
    Am Ansatz des Halses entdeckt er einen rötlichen Viertelbogen, darunter einen zweiten, beide konvex.
    »Was ist das?«
    »Was?«
    »Ein Biß!«
    »Von was redest du?«
    »Hier!«
    »Ach Quatsch.«
    »Wer war das?«
    »Hab dir ja gesagt, daß du mich zu lange allein gelassen hast!«
    »Man hat dich also geküßt?«
    »Ja.«
    »Oft?«
    »Ich hab’s nicht gezählt.«
    »War auch mehr?«
    »Soll das ein Verhör werden?«
    »Sag mir sofort, wer es ist!«
    »Was hast du davon, wenn ich dir Namen nenne?«
    Ihre Logik ist so zwingend, daß er den Plural überhört. »Hast du mit ihm geschlafen?«
    »Ja.«
    »Öfter?«
    »Ja.«
    Er baut sich vor ihr auf, holt Luft:
    »Du hast mich betrogen!«
    »Nein.«
    »Wieso nein?«
    »Ich bin nicht mit dir verheiratet.«
    Es scheint, als übernähmen seine Beine die Antwort, die ihm nicht einfällt. Elliptisch umrundet er sie, spricht von Moralbegriffen, von tiefer Enttäuschung, menschlich vor allem.
    »Da sorgt man sich um einen Menschen, tut alles für ihn, opfert jede freie Minute, und dann fährt man einmal weg, ein einziges Mal in gutem Glauben...«
    »Mit seiner Frau! Und läßt mich allein!«
    Es mag an der Zigarette liegen, die Babette mit vorgeschobener Unterlippe im Mundwinkel hält, daß ihm ihr Lächeln unverschämt vorkommt.
    »Du Hure! Gemeine Hure du!«
    Im Lift bereute er, sie geschlagen zu haben, wollte zurück. Aber eine andere Regung kam dazwischen, zwang ihn, hinabzufahren. Im Hof hatte er Zeit, sich eine Entschuldigung zu überlegen, die im Lift endgültige, zärtliche Formulierung fand.
    Aus dem Schlafzimmer hört er ihre Stimme. Warm und sanft. Sie hat ihr Kleid ausgezogen, liegt auf dem Bett, den Telefonhörer mit der Schulter haltend, und ist mit der Nagelzange an ihren Zehen beschäftigt. Wie auf inneren Befehl entwindet er ihr die Zange, zwickt die Telefonschnur durch. Unbeeindruckt geht sie aus dem Zimmer; er sinkt aufs Bett, versteht sich nicht. Schließlich ist er alt genug, kennt Auseinandersetzungen, um zu wissen, wie man sie steuert oder überhaupt vermeidet.
    Babette lackiert sich im Wohnzimmer die Nägel. Was sie ausstrahlt, verhindert jede Entschuldigung, jeden Versöhnungsversuch.
    Sie raucht. Er raucht. Sie trinkt. Er trinkt.
    Sie gähnt.
    Ihm wird heiß, das Zimmer zu eng. Er möchte das Fenster öffnen, hat keinen Mut, nimmt Anläufe, weiß nicht wie er sich ausdrücken soll, entschuldigt sich für seine Heftigkeit, sei ja kein Wunder, Capri sei die Hölle gewesen, ohne sie, ohne Nachricht.
    »Babsi, Kleines, warum mußt du mich so quälen!«
    »Jammer nicht!« sagt sie mit neuer, wippender Zigarette.
    Er atmet tief.
    »Du hast vollkommen recht. Sag mir alles, was ich falsch gemacht habe.«
    »Das müßtest du eigentlich wissen. Du bist alt genug.«
    Er beeilt sich, das Gespräch in Gang zu halten.
    »Oder sag mir, was ich hätte tun sollen.«
    Sie lackiert die Nägel der anderen Hand.
    »Ich an deiner Stelle wär nicht weggefahren!«
    »Ich wollte nicht, glaub mir, ich wollte nicht. Aber die Reise war ausgemacht — da kannten wir uns noch gar nicht.«
    »Dann hättest du sie absagen müssen.«
    »Wenn ich das geahnt hätte, verlaß dich drauf, ich hätte abgesagt! Mein verdammtes Pflichtgefühl! Man ist dran gewöhnt, daß man nicht so kann, wie man will...«
    »Mach dir doch nichts vor!«
    »Kleines, das verstehst du nicht. Wir sind bald fünfundzwanzig Jahre verheiratet, wir haben Kinder, Verantwortung, die Öffentlichkeit will berücksichtigt sein. Da muß man geschickt vorgehen, schön peu à peu...«
    »Und so lange bin ich dir keine Rechenschaft schuldig.«
    »Wie meinst du das?«
    »Es könnte ja sein, daß du mir auch >untreu< geworden bist.«
    »Aber Kleines, wo denkst du hin. Mit wem denn?«
    Babette lächelt. Ihre Stimme klingt nahezu liebevoll. »Vielleicht mit deiner Frau? Bei deinem Pflichtgefühl...«
    Er ist entsetzt. Über die Frivolität ihres Einfalls. Sein Hundeblick scheint zu sagen, daß sie sich nicht versündigen möge, die Frau ins Spiel zu bringen. Man muß die Dinge trennen. Ergriffenheit schwingt in seiner Stimme.
    »Ich bitte dich! Weißt du überhaupt, was du mir angetan

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