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Ich liebe mich

Ich liebe mich

Titel: Ich liebe mich Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Hassencamp
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irgendeine Zwischenprüfung nicht bestanden. Der Vater ging nicht darauf ein. Sie meldete weiter:
    »Paul läßt dich grüßen. Er rief an. Wir sollen zu seinem Weinfest kommen, über Sonntag. Es sei doch nicht weit.«
    »Ausgeschlossen, ganz ausgeschlossen.«
    »Warst du beim Arzt?« fragt sie nähertretend. Er sieht ihren besorgten Blick im Spiegel, dreht sich um, ihr zu. Sie duftet sehr gut; er hält sie fest, zum erstenmal seit Capri. »Wann sollte ich denn, Liebes, wann denn?«
    »Muß das alles so sein?« fragt sie, spürt seine wachsende Bereitschaft; schwer atmet er aus, die Hand, die sie hält, entspannt sich, sein Kopf sinkt auf ihre Schulter.
    »Laß mich, Mütterchen, laß mich. Ich hab’s nicht leicht zur Zeit.«
    Wie auf Capri streicht sie ihm übers Haar.
    »Ich lasse dich ja. Vielleicht ist das der Fehler.«
    Er wendet sich ab, wechselt die Tonart, kehlig klingt die Stimme, abwehrend.
    »Ich kann mich jetzt nicht ins Krankenhaus legen! Denkst du, mir macht diese Blasengeschichte Spaß? Immer diesen Drang und dann geht’s nicht...«

    Obwohl Schröders keine Kinder hatten, war das neue Haus wesentlich größer als das alte. Ebenso der junge Hund, der die Gäste verbellte, an ihnen hochsprang, leckte, schnappte, dabei Wasser lassend und minutenlang jede Begrüßung verhinderte.
    »Ist er nicht wonnig? Wenn er jemand mag, muß er gleich Bachi machen. Er ist ja noch ein Baby.«
    Die Betroffenen durften sich ausgezeichnet fühlen. Wer trocken blieb, war kein Tierfreund. Schröder sah alt aus. Frau Schröder führte das Wort:
    »Zuerst müßt ihr das Haus sehen. Nein, erst müßt ihr euch ins Gästebuch eintragen; beeilt euch, ihr müßt mitkommen, alle, sonst muß ich’s x-mal erklären...«
    Sie wußten, was sie mußten, lobten sich vorwärts, die Treppe hinauf, den angenehmen Tritt, den man auf ihr habe, den ganz besonderen Belag, das geschmackvolle Geländer, so sympathisch im Griff.
    Er ging am Ende der Führung, sah vor allem Telefone, die reichlich installiert waren.
    »Jetzt müßt ihr...«
    Sie wurden durch Türen geschleust. Sie staunten. Selbst die Toiletten mußten besichtigt werden. Der goldenen Armaturen und des bemalten Porzellans wegen.
    »Alles aus Frankreich. Und jetzt müßt ihr...«
    Auch der Dachboden war ungemein interessant. Irgendwie gar nicht wie ein Dachboden. Er stand voller Antiquitäten: Barockkommoden und -sessel, Biedermeierstühle und -tische. »Noch von den Eltern. Wir sind mehr für Queen Ann«, betonte Schröder. »Und jetzt müßt ihr...«
    Diesmal handelte es sich um besondere Wandschränke, ganz aus Palisander und faszinierend geräumig, Platz für die Sommersachen im Winter. Und umgekehrt.
    »Und jetzt müßt ihr...«
    Sie mußten eine steile Wendeltreppe hinunter, die auf eine Terrasse zum Außenkaminplatz und weiter ins Souterrain führte.
    »Alles meine Idee! Ich hab dem Architekten alles aufgezeichnet... Hier hat er beispielsweise gesagt, sollten wir... aber ich habe gesagt...«
    Er hört nicht zu, steht hinten, schaut auf die Uhr.
    Jetzt müßte der Vortrag aus sein — vielleicht ist anschließend Diskussion — was müssen wir jetzt noch im Keller — einen Ehrgeiz haben die Leute — ihr müßt — jetzt müßt ihr — und jetzt müßt ihr — jetzt müßt ihr noch — jetzt müßt ihr unbedingt — und jetzt muß ich
    Er wählte das in der Diele. Der bunte Kachelboden erinnerte an Capri. In der Ecke stand ein Gartenzwerg; im Halter der Papierrolle war eine Spieluhr versteckt, die auf Abriß >0 wie so trügerisch...< abspulte. Der sogenannte Humor bleibt in besseren Häusern gern auf die sanitären Anlagen beschränkt. Erneut wurde ihm klar, daß der Weg zum Arzt unvermeidlich sein würde. Als er zurückkam, es war halb zehn, mußten die Gäste gerade einen Wein probieren, den angeblich niemand kennen konnte. Dazu wurde der Architekt vorgestellt: modischer Naturbursche, die wenigen Haare nach Art von Männern, die wie Maler, Schriftsteller oder Bildhauer aussehen möchten, in die Stirn gekämmt. Dieser Mann sprach noch leichter an als die Spieluhr im Rollenhalter. Wer unvorsichtig genug war, seinen Blick zu kreuzen, mußte mit dialektischer Einmauerung rechnen.
    »...Einfälle sind überholt. Kunst ist heute errechenbar. Ich lasse das Material durch sich selbst wirken und konzentriere alles auf die Funktion. Funktionsausdruck plus Materialeffekt ist Stil...«
    Der Hausherr trat auf den Freund zu. Sein Blick sagte: Du könntest dich auch einmal lobend

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