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Ich mag dich wie du bist

Ich mag dich wie du bist

Titel: Ich mag dich wie du bist Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Francesco Gungui
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Dann versucht sie es noch einmal. Sie stemmt sich wieder mit dem Bein hoch, und dieses Mal landet sie mit dem Schnabel genau in einer Welle. Die nächste Welle trifft sie voll und die Brandung zieht sie mit sich. Eine Welle, eine zweite, dann ist die Möwe mitten im Wasser. Ich beobachte, wie sie immer weiter abtreibt, auf einer Seite, den Schnabel gerade noch oberhalb der Wasseroberfläche. Dann ist sie auf einmal verschwunden.
    Ich heule los wie ein kleines Kind. Ich weine, ohne mich meiner Tränen zu schämen und lasse zu, dass das Schluchzen meine Brust durchschüttelt. Ich weine mit hoch erhobenem Kopf, das Gesicht zum Horizont gerichtet, in einer Mischung aus Schmerz und Mitleid, grenzenlosem Mitleid. Ich sehe den Schnabel der Möwe vor mir, wie er sich in den Sand bohrt, ihr verzweifeltes Bemühen, sich auf die Seite zu drehen und ans Ufer zu gelangen, und das alles nur, um dann doch zu sterben. Und angesichts der ungeheuren Größe dieser unbeholfenen Bewegung komme ich mir dumm und nutzlos vor. Plötzlich versiegen meine Tränen. Ich stehe auf und laufe weiter. Ich will nicht zurück, ich kann nicht zurück.
    Nach einer Weile erreiche ich eine kleine, von dichtem Pflanzenwuchs umgebene Bucht. Hier und da entdecke ich ein paar Sonnenschirme, aber nur wenige Leute. Am anderen Ende der Bucht fällt mir ein kleiner Holzbau mit einem Bambusdach auf, um den ein paar Tische stehen.
    »Kann ich bitte eine Cola haben?«
    Ein Junge mit kahlrasiertem Schädel und einem großen Tribal-Tattoo auf der Schulter sieht mich an und lächelt.
    »Na klar, ich werde es dir bestimmt nicht verbieten«, sagt er und man hört ihm sehr deutlich an, dass er aus Apulien kommt. »Bist du hier campen?«
    »Ja.«
    »Und dann warst du noch nie hier im Chiringuito?«, fragt er und tut beleidigt.
    »Und was ist das Chiringuito?«, frage ich und versuche ein Lächeln.
    »Also, wenn du mich unbedingt beleidigen willst, dann mach nur so weiter. Das hier natürlich, die Strandbar, das Neuneinhalb Wochen .«
    »Das Neun… was?«
    » Neuneinhalb Wochen , so lange muss man mindestens hier in Apulien Urlaub machen, um neue Kräfte zu tanken. Wie lange bist du schon hier?«
    »Etwa eine Woche.«
    »Na, dann hast du ja noch was vor dir … Aber ich habe dich hier noch nie gesehen.«
    »Ich wohne ein bisschen weiter dahinten«, sage ich und zeige in die Richtung, aus der ich gekommen bin.
    »Ach so, bei der Konkurrenz. Na, aber du musst wenigstens ab und zu mal hierherkommen. Es ist toll hier: wenig Leute, das Chiringuito, der Strand, das Kiefernwäldchen, wenn man mal für sich sein will – alles da.«
    Ich setze mich an den einzigen freien Tisch, ein wenig entfernt vom Meer, aber gut geschützt durch einen fransigen Sonnenschirm aus Bast.
    Ich beobachte die Leute um mich herum, alle sind jung, keiner über dreißig. Ein paar Hunde laufen zwischen den Tischen herum und werden in regelmäßigen Abständen von ihren Besitzern zurückgepfiffen.
    Die Musik ist laut. Anscheinend ist es der übliche Soundtrack dieser Strandbar. Ich höre dem Song etwas aufmerksamer zu, aber obwohl er in Italienisch ist, verstehe ich den Text nicht.
    Ich bleibe ein oder zwei Stunden so sitzen. Die Tische füllen sich mit Tellern und Servietten. Ein Mädchen läuft mit einem großen Holztablett zwischen den Tischen herum.

Achtzehn
    »Hast du schon bestellt?«, fragt mich eine Stimme mit einem leichten Mailänder Akzent.
    Ich blicke von meinem Buch auf, und da sehe ich sie.
    »Martina!«
    Ich starre in dieses Gesicht, das ich überall auf der Welt wiedererkennen würde, während sie so guckt, wie wenn man plötzlich jemandem gegenübersteht, der einem irgendwie bekannt vorkommt, dem man aber keinen Namen zuordnen kann und man sich fragt, ob man sich an ihn erinnern müsste.
    Ich entschließe mich, sie aus dieser peinlichen Lage zu befreien.
    »Wir gehen auf die gleiche Schule.«
    Sie starrt mich noch verblüffter an. Wahrscheinlich war sie gerade zu dem Schluss gekommen, ich sei jemand anderes, und jetzt muss sie wieder umdenken.
    »Ach so, natürlich … du bist die, die nicht raucht.«
    »Ja, genau, Alice.«
    »Alice«, wiederholt sie und nickt ein paarmal stumm.
    Sie scheint von der Erkenntnis beinahe enttäuscht zu sein. Das Mädchen, das sie gerade in der Bar getroffen hat, in der sie arbeitet, ist nur Alice, mit anderen Worten: niemand.
    »Campst du hier?«, fragt sie mich.
    »Ja, aber auf dem Campingplatz weiter dahinten, wenn du den Strand entlanggehst.«
    »Du

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