Ich muss dir etwas sagen
Psychoanalyse bringt es schlicht am meisten, grundsätzlich davon auszugehen, daß man verärgert ist.
Alexas Geschichte
Angenommen, Sie erfahren ein Geheimnis, das für einen
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Bekannten eine schlechte Nachricht darstellt. Ich mache mit Therapeuten Supervision, unter anderem mit Alexa, die mir
einmal eine chaotische Situation vortrug. Joyce, eine ihrer Klientinnen, zu der sie eine gute Arbeitsbeziehung aufgebaut hatte, hatte Alexas Ehemann mit einer anderen Frau in einer Hotellobby gesehen. Es sah so aus, als ob die beiden eine Affäre hätten. Joyce hatte eigentlich nichts darüber sagen wollen, aber es nagte an ihr. Außerdem meinte sie, wenn die Situation
umgekehrt läge, würde sie es auch wissen wollen.
Unterschwelliger Ärger
Die Art und Weise, wie sie die schlechte Nachricht überbrachte, zerstörte jedoch ihre Beziehung zur Therapeutin. Joyce ärgerte sich. Man fragt sich, wie sie sich über Alexa ärgern konnte, die doch das unschuldige Opfer in dieser Angelegenheit war, und wo dieser Ärger herstammte.
Das hing zum Beispiel mit der Tatsache zusammen, daß Joyce bald heiraten wollte und befürchtete, ihre Ehe würde nicht funktionieren. Alexa hatte versucht, ihr Mut zu machen, und gemeint, es gäbe viele Ehen, die gut funktionieren, und die meisten seien, trotz irreführender Statistiken, recht glücklich.
Als Joyce nun Alexas Ehemann in der Lobby sah, mußte sie die Therapeutin entweder für naiv halten oder glauben, sie führe sie bewußt in die Irre. Egal, was richtig war, Joyce war wütend auf ihre Therapeutin, weil sie sich von ihr betrogen fühlte. Darüber hinaus ärgerte sie sich nun auch über das Geld und die Zeit, die sie in die Therapie gesteckt hatte und daß sie nun noch mehr ausgeben sollte, um über ein Problem zu reden, das eigentlich das Problem ihrer Therapeutin war. Aber Joyce war sich ihrer Wut nicht bewußt und wußte daher auch nicht, wie diese die
„Wahrheit” verändert hatte, die sie erzählen mußte.
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Die Wahrheit hinter der Verärgerung
Ich fand später heraus, daß das Geschehen in der Lobby, das Joyce gesehen hatte, durchaus anders gedeutet werden konnte, als sie es Alexa berichtet hatte. Es handelte sich um ein Hotel in Cambridge, in dem zahllose Meetings und Konferenzen
stattfinden. Alexas Ehemann lachte über etwas, was diese Frau zu ihm gesagt hatte, aber es gab keinerlei Anzeichen für
romantische Verwicklungen. Was Joyce in Wirklichkeit gesehen hatte, paßte nahtlos zu dem Bild von Alexas Ehemann mit einer wildfremden Frau, die gerade eben erst ins Gespräch gekommen waren, weil sie an derselben Konferenz teilnahmen.
Wäre Joyce sich ihres Ärgers bewußt gewesen und wozu er
führte, hätte sie vielleicht nichts gesagt, weil sie ja nicht sicher sein konnte, daß sie irgendwas beobachtet hatte, worüber man berichten sollte. Oder sie hätte Alexa mitgeteilt, daß sie ihren Mann in jener Hotellobby gesehen habe. Oder daß er mit einer Frau an der Lobby sprach. Es war ihr Ärger, der sie dazu
verführte, den schicksalhaften Schritt zu machen, und zu sagen, es sähe aus, als hätten die beiden eine Affäre, um dann die Details so darzustellen, daß sie diese Behauptung
untermauerten.
Diese Geschichte macht auf markante Weise klar, wie sehr
Gefühle die Wahrheit gestalten und wie wenig sie mit der
faktischen Wahrheit zu tun haben müssen. Es sollte uns also nicht überraschen, daß sich unsere Wahrheit substantiell ändert, sobald wir den Ärger von der Wahrheit trennen. In Fall von Joyce hätte sich das Geschehen als völlig harmlos entpuppt, und niemand wäre verletzt worden. Den Ärger von der Wahrheit zu trennen könnte auch dazu führen, die Wahrheit weit trauriger zu empfinden als zuvor, oder daß die Verhandlungsbereitschaft wächst oder daß man nun weit mehr an Lösungen als an der
Schuldfrage interessiert ist oder daß die Formulierungen
ausgewogener sind.
Denken Sie über die Wahrheit nach, die Sie erzählen wollen.
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Nehmen Sie an, Sie seien verärgert. Fragen Sie sich nun, was Sie sagen würden, wenn Sie sich nicht ärgerten. Und das sagen Sie dann.
Sie brauchen Ihren Ärger nicht zu ignorieren. Gut möglich, daß Sie der betreffenden Person sagen möchten, wie sehr Sie sich ärgern. Das ist die Wahrheit über Ihre Gefühle. Dabei handelt es sich jedoch um eine andere Wahrheit, die man zu einem anderen
Zeitpunkt äußern sollte, und nicht um jene, die Sie gerade vor Ihrem Ärger gerettet haben.
4.Welcher Aspekt
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