Ich muss Sie küssen, Miss Dove
er sah sie erstaunt an. „Was ist der wahre Grund für deine Weigerung? Sag es mir. Traust du mir nicht zu, es dir beibringen zu können?"
„Natürlich traue ich dir das zu. Es ist nur ..." Sie seufzte, als er sie weiterhin fragend anschaute. „Also gut, wenn du es unbedingt wissen willst — ich fühle mich einfach unwohl, wenn ich mich draußen bei Tageslicht ausziehen soll."
„Dann behalte doch etwas an, eine Kombination oder irgendwelche andere Unterwäsche."
„Aber wenn man dann einmal nass ist, könnte man genauso gut unbekleidet sein."
„0 ja." Er bedachte sie mit einem durchtriebenen Schmunzeln. „Das stimmt allerdings."
„Harry, ich meine es ernst."
Er hörte sofort auf zu lächeln. „Du bist schüchtern, nicht wahr?"
„Ich bin immer schüchtern gewesen. Besser gesagt, sittsam. Das weißt du."
„Großer Gott, Emma, aber mir gegenüber hast du doch diese Scheu nicht mehr, oder? Ich habe dich schon bei Tageslicht nackt gesehen, und ich danke dem Herrgott dafür, nebenbei bemerkt. Und das jedes Mal wieder von Neuem."
„Es macht mir ja auch nichts aus, wenn du mich siehst, aber es könnte jemand anderes vorbeikommen. Das wäre mir tödlich peinlich."
„Deshalb willst du nicht schwimmen lernen?" Als sie nickte, lachte er und küsste sie. „Warum hast du das nicht gleich gesagt? Dann bringe ich es dir eben nachts bei!" Er küsste sie erneut. „Nackt. Verdammt, das ist eine so hervorragende Idee, dass ich mich frage, weshalb ich nicht schon früher darauf gekommen bin."
In dieser Nacht erfüllte sich Harrys Wunsch. Emma erhielt ihre erste Unterrichtsstunde im Schwimmen, und als sie sich schließlich im Mondschein nackt auf dem Rücken im Wasser treiben ließ, entspannt lächelte und ihn mit grenzenlosem Vertrauen in die Augen sah, da war er von Herzen froh, dass noch niemand vor ihm Emma Dove das Schwimmen beigebracht hatte.
„Hunde sind besser.”
„Nein." Emma nahm sich eine Brombeere aus dem Obstkorb, der zwischen ihnen auf der Decke stand.
„Doch, das sind sie." Harry griff nach dem Brotlaib im Picknickkorb und brach ein Stück davon ab. „Hunde sind freundlich und treu."
„Das sind Katzen auch."
Er gab einen verächtlichen Laut von sich, während er Butter auf das Brot strich.
„Mr. Pigeon war sehr freundlich zu dir", erinnerte sie ihn. „Und wie kannst du behaupten, er wäre nicht treu? Er bringt mir Vögel."
„Tote Vögel."
„Das ist nun mal der größte Treuebeweis bei Katzen."
„Emma, er würgt Haarballen aus, das ist ekelhaft. Wie kannst du nur ein Geschöpf lieben, das Haarballen auswürgt?"
„Und wie kannst du ein Geschöpf lieben, das sabbert?", konterte sie und begann das Brot zu essen, das er für sie geschmiert hatte. „Ich glaube, nächstes Mal bringe ich Pigeon mit, damit du ihn besser kennenlernen kannst."
„Das kommt gar nicht infrage."
„Er vergöttert dich, weißt du noch?"
„Liebste, deinetwegen würde ich gern sagen, dass dieses Gefühl auf Gegenseitigkeit beruht, aber so ist es nicht. Nichts gegen Mr. Pigeon, aber ich verabscheue Katzen."
Emma antwortete nicht, denn etwas anderes hatte ihre Aufmerksamkeit geweckt. „Da sind sie wieder", murmelte sie und zeigte unauffällig auf ein älteres Paar, dasselbe Paar, das sie fast jedes Wochenende mindestens einmal sahen. Händchen haltend liefen die beiden etwa fünfzig Meter von ihnen entfernt über die Wiese. „Sie, gehen immer Hand in Hand."
„Wirklich?" Harry nahm ein Stück Käse und ein Töpfchen Senf aus dem Korb. „Das ist mir noch gar nicht aufgefallen."
„Es ist so romantisch." Plötzlich fiel ihr etwas ein. „Wir gehen die ganze Zeit spazieren, Harry, aber nie Hand in Hand."
„Ist das so?", erwiderte er leichthin. „Wie typisch britisch von uns."
Was sie gesagt hatte, störte ihn. Das merkte sie ihm an, auch wenn sie sich nicht erklären konnte, weshalb. Erst wollte sie das Thema vertiefen und ihn fragen, warum er sie nie an der Hand hielt, aber sein Gesichtsausdruck hinderte sie daran. Stattdessen aß sie den Rest von ihrem Brot, nahm sich noch eine Brombeere aus dem Obstkorb und legte sich auf den Rücken, um die Wolken am Himmel zu betrachten.
„Consuelo und ich pflegten Hand in Hand zu gehen. Das war das einzige halbwegs Romantische, das man uns gestattete."
Emma erstarrte. Das war erst das zweite Mal in all den Jahren, die sie ihn nun schon kannte, dass er seine frühere Frau erwähnte. Sie aß die Brombeere und wartete darauf, dass er mehr erzählte, aber er
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