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Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
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sie in diesen Jahren den anderen durch und durch kennengelernt hätten. Sie hielt ihn für unaufrichtig, für einen Lügner und für weiß Gott sonst noch alles. Er hatte sie für kühl, leidenschaftslos, fügsam und — um der Wahrheit die Ehre zu geben — für irgendwie nicht menschlich gehalten. Offenbar hatten sie sich beide geirrt.
    ,,Ich möchte, dass Sie jetzt gehen."
    Er war so in seine Gedanken vertieft gewesen, dass er sie nicht richtig verstanden hatte. „Verzeihung ...?"
    Sie trat auf ihn zu, hob trotzig das Kinn und blickte ihm in die Augen. „Ich sagte, gehen Sie."
    Was an ihr war ihm sonst noch entgangen? Er betrachtete ihr Gesicht als sähe er es zum ersten Mal. Ihre Augen waren haselnussbraun, das wusste er. Was er aber erst jetzt bemerkte, waren die winzigen goldenen Einsprengsel darin, die förmlich aufzublitzen schienen, wenn sie wütend war. Bis jetzt waren ihm auch nie die Sommersprossen aufgefallen, die sich wie Feenstaub über ihre Nase und die Wangen verteilten. Genauso wenig wie die winzige sternenförmige Narbe an ihrer Schläfe, oder die Tatsache, dass ihre braunen Wimpern an den Spitzen heller waren, als hätte man sie in Gold getaucht.
    „Hören Sie eigentlich schwer?" Sie hob die Hände und stemmte sie mit aller Kraft gegen seine Brust. Als er sich nicht rührte, versuchte sie erneut, ihn wegzuschieben. „Ich sagte, Sie sollen gehen!"
    Er war mindestens fünfunddreißig Kilo schwerer als sie, daher bewegte er sich nicht von der Stelle. Stattdessen fuhr er fort, sie auf diese neue Art zu betrachten, so als hätte er sie noch nie zuvor gesehen. Zu seiner Überraschung mochte er, was er erblickte. Sie war nicht unbedingt eine schöne Frau, aber in diesem Moment, mit ihren rosigen Wangen und den funkelnden Augen, hätte sie wohl jedem Mann gefallen. Miss Dove war in der Tat ein sehr menschliches Wesen.
    Als sie merkte, dass ihre Versuche, ihn aus der Wohnung zu bugsieren, nicht fruchteten, hielt sie inne. „Verlassen Sie augenblicklich meine Wohnung, Lord Marlowe", forderte sie ihn auf. „Andernfalls werde ich die Polizei verständigen. Gleich unten an der Ecke ist eine Wache."
    Er begriff, dass weitere Beteuerungen, wie hoch er sie schätzte, sie nicht überzeugen würden, daher beschloss er, jetzt zu verhandeln. „Ich erhöhe Ihr Gehalt. Sagen wir, um zehn Pfund pro Monat?"
    „Nein!" Wieder stieß sie ihm mit beiden Händen vor die Brust. Diesmal ließ er es zu und wich zurück.
    „Zwanzig." Das war ein überwältigendes Gehalt für eine Sekretärin, aber Harry konnte es sich leisten.
    ,,Nein."
    „Dreißig. Und samstags immer den ganzen Tag frei, nicht nur am Nachmittag."
    „Nein, nein, nein! " Mit jedem Nein schob sie ihn weiter auf die Tür zu. „Hier geht es nicht um Geld und freie Tage!"
    „Worum dann?", fragte er, als sie am Sofa stehen blieb und nach seinem Hut griff. „Um Ihre verletzten Gefühle?"
    „Nein." Mit einer Hand setzte sie ihm unsanft den Hut auf, mit der anderen drückte sie Harry weiter Richtung Ausgang. „Es geht um mich und um das, was ich will. Ich will Schriftstellerin sein und nicht für Sie arbeiten."
    „Ich nehme Ihre Kündigung nicht an."
    „Das werden Sie wohl müssen."
    Er nahm den Hut ab und hielt ihn sich vor das Herz. „Was muss ich tun, damit Sie zurückkommen?"
    Sie stieß einen Laut der Verzweiflung aus. „Geben Sie eigentlich nie auf?"
    „Nein, nicht, wenn ich etwas möchte. Da bin ich ziemlich hartnäckig. Da Sie behaupten, mich so gut zu kennen, müssten Sie das wissen."
    „Dann haben wir ja eine Gemeinsamkeit, Mylord, denn ich bin nämlich auch sehr hartnäckig."
    Er musste ihr die Wahrheit über Barringer sagen, das war das einzig Richtige. „Ich bitte Sie, seien Sie vernünftig. Als meine Sekretärin haben Sie eine sichere Zukunft, während dieser Zusammenschluss mit Barringer unweigerlich scheitern wird. Er steht kurz ..."
    „Ich will keine gesicherte Zukunft", unterbrach sie ihn. „Und ich werde es mir auch nicht mehr anders überlegen. Vernünftig bin ich viel zu lange gewesen. Und ich glaube nicht, dass ich scheitern werde. Es gibt sehr viele Leute, die Wert auf gute Manieren legen, auch wenn Sie offensichtlich nicht zu ihnen gehören."
    „Sie verstehen die Umstände nicht, unter denen Barringer Ihnen angeboten hat, Ihre Arbeiten zu veröffentlichen. Es überrascht mich nicht, dass er Sie darüber nicht in Kenntnis gesetzt hat, aber Sie müssen erfahren, dass ..."
    „Er ist nicht wie Sie. Und das ist das Einzige,

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