Ich muss Sie küssen, Miss Dove
keinen Fall. Er trägt zwar eine edle Gesinnung zur Schau, aber in seinem Privatleben verhält er sich zutiefst unmoralisch. Ein Barringer, der Etikettebücher herausgibt das ist wie der Teufel, der eine Vorlesung zum Thema Güte hält."
Kein Lächeln, kein Anzeichen der Belustigung. „Da Ihr eigenes Privatleben so ein Vorbild in Sachen Moral ist, wäre es also keine Ironie, wenn Sie Etikettebücher herausgäben?" Emma ließ ihm keine Gelegenheit zu antworten. „Wie dem auch sei, Lord Barringer wird mein Werk nicht als Buch auf den Markt bringen. Ich soll eine Kolumne für seine wöchentlich erscheinende Social Gazette schreiben. Etikette wird zwar mein Hauptanliegen dabei sein, aber das ist nicht das einzige Thema, zu dem ich mich äußern werde."
Harry begriff allmählich, was Barringer im Schilde führte. „Er hat Sie nur eingestellt, um mir eine lange Nase zu machen. Er verachtet mich, und da er weiß, wie sehr ich auf Sie angewiesen bin, genießt er es jetzt, Sie mir weggeschnappt zu haben. Durch diese Kolumne kann er seinen Triumph jede Woche neu auskosten."
„Es ist wohl nicht möglich, dass sein Entschluss gar nichts mit Ihnen zu tun hat? Wäre es für Sie vorstellbar, dass er etwas von mir veröffentlicht, weil es gut ist?”
„Barringer würde ein gutes Buch nicht einmal erkennen, wenn es ihm ins Gesicht spränge. Er war in Oxford."
Auch das fand sie nicht amüsant. „Dass Sie Barringers Fähigkeit, gute Literatur richtig einschätzen zu können, in Abrede stellen, überrascht mich nicht. Aber es verwundert mich schon, dass Sie so geringschätzig über meine Manuskripte urteilen, obwohl Sie sie noch nicht einmal gelesen haben!"
Harry hatte das Gefühl, sich immer tiefer in die Bredouille zu reiten, aber er hatte nicht vor, sie anzulügen, nur um sich aus der Affäre zu ziehen. „Ich habe genug davon gelesen, um zu wissen, dass ich sie nicht veröffentlichen werde."
Emma erhob sich und deutete damit an, dass für sie das Gespräch beendet war. „Dann sollte es Ihnen nicht das Geringste ausmachen, dass Lord Barringer entschieden hat, es zu tun."
„Das ist nicht das, was mich stört." Er stand ebenfalls auf. „Aber mir macht es etwas aus, meine Sekretärin zu verlieren; eine Sekretärin, die keinerlei Erfahrung und keine Referenzen hatte, als sie sich bei mir vorstellte, und der ich die Chance bot, ihre Fähigkeiten zu beweisen! "
Sie schnaubte verächtlich. „Wie großzügig von Ihnen."
„Allerdings! Wer sonst hätte Sie wohl engagiert? Wer sonst hätte Ihnen das gleiche Gehalt gezahlt wie einem Mann? Wer sonst hätte einer einfachen Sekretärin Weihnachtsgeld gezählt und ihr jeden Samstagnachmittag freigegeben? Niemand. Barringer jedenfalls nicht, so viel steht fest."
„Und als Gegenleistung für Ihre Großzügigkeit habe ich fünf Jahre lang vorbildlich meine Pflichten erfüllt! An meinem Verhalten können Sie nicht das Geringste auszusetzen haben."
„Ach nein? Sie kündigen einfach so, ohne vorherige Andeutung, dass Sie unzufrieden sind, ohne mir ein einziges Wort zu sagen. Sie nehmen eine Stelle bei meinem schärfsten Konkurrenten an, einem Mann, der mich hasst und der alles tun würde, meiner früheren Sekretärin vertrauliche Informationen zu entlocken."
„Niemand entlockt mir irgendetwas, das versichere ich Ihnen!"
Er ging auf ihre Bemerkung nicht ein. „Und diese Treulosigkeit begehen Sie ohne den Anstand und das sichere Gespür für Etikette , wenigstens die übliche zweiwöchige Kündigungsfrist einzuhalten! "
Zum ersten Mal wirkte Miss Dove etwas verlegen. Zu Recht, wie er fand. „Ich bedauere die Umstände meiner Kündigung." Sie drehte sich um und trat an eins der Fenster. „Ich kann nur sagen, dass mein Vorgehen durch die Gewissheit beeinflusst wurde, dass Sie keinerlei Mühe haben werden, einen Nachfolger für mich zu finden."
„Einen Nachfolger? Gute Frau, haben Sie denn immer noch nicht verstanden, warum ich hier bin? Habe ich mich nicht klar genug ausgedrückt? Ich will keinen Nachfolger für Sie. Ich will, dass Sie Abstand davon nehmen, diesen dummen Etikettekram für Barringer zu schreiben, und wieder bei mir arbeiten. Dort, wo Sie hingehören!"
„Was ich schreibe, ist nicht dumm!" Emma wirbelte herum und reckte trotzig das Kinn. Der Sonnenschein fiel auf ihr Haar. „Da Sie so unverblümt sprechen, werde ich das auch tun. Was ich verfasse, ist wichtig und hilfreich, und ich lasse nicht zu, dass Sie das herabsetzen. Und was die Tatsache betrifft, wohin
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