Ich muss Sie küssen, Miss Dove
Witwer ist, trete ich an seiner Seite als Gastgeberin auf, und ich kann Ihnen versichern, dass es äußerst viel Bedacht und Aufmerksamkeit erfordert, ein Fest auszurichten. Ich bin sicher, dass Melanie, der dieselbe Aufgabe bei ihrem verwitweten Vater zufällt, mir darin zustimmen wird. Ausgefallene Ideen, wie diese Frau sie vorschlägt, können sehr hilfreich sein, einen gesellschaftlichen Anlass zum Erfolg werden zu lassen."
Melanie, die immer noch nicht dazu fähig zu sein schien, in Harrys Anwesenheit zu sprechen, bestätigte das mit einem Nicken.
„Mädchen, hört euch das an." Louisa beugte sich auf ihrem Stuhl leicht nach vorn, um noch mehr von Mrs. Bartlebys Weisheiten zu übermitteln. „Sie schreibt, genau gegenüber von Maxwell's in Chelsea befindet sich eine Schreibwarenhandlung, in der man wunderbar bunt gefärbtes Papier für diese Origamigeschichte kaufen kann. Die Angestellten dort bringen einem gern bei, wie man Flamingos faltet, aber man kann sie auch in größeren Mengen anfertigen lassen. Mrs. Bartleby empfiehlt dieses Geschäft von ganzem Herzen."
„Ach, ja?", meinte Antonia leicht verschnupft und trank einen Schluck Tee. „Und wer ist diese Mrs. Bartleby, dass man auf ihre Empfehlungen so viel gibt?"
Harry hätte sie aufklären können, aber er hatte nicht die Absicht, das zu tun. Wenn seine Schwestern herausfanden, dass hinter Mrs. Bartleby Miss Dove steckte, würden sie ihn endlos damit aufziehen, dass er ihre ach so schlauen Ergüsse abgelehnt und Emma an Lord Barringer verloren hatte. Auch wenn das nur ein vorübergehender Zustand war, würden sie ihn damit nicht in Ruhe lassen. Klugerweise hielt er daher den Mund.
„Welche Beziehungen hat sie?", fuhr Antonia fort. „Aus welcher Familie stammt sie? Bislang ist mir keine bedeutende Familie namens Bartleby in England begegnet."
„Vielleicht ist sie ja Amerikanerin", schlug Phoebe vor.
„Ach, Amerikanerin.” Antonia betonte dieses Wort so, dass kein Zweifel an ihrer Meinung über Mrs. Bartleby und ihr mögliches Herkunftsland offen blieb.
„Sie kann nicht Amerikanerin sein", widersprach Vivian. „Eine Amerikanerin würde doch wohl kaum die besten Geschäfte für Leinen und Schreibwaren in London kennen, oder?"
„Ganz gleich, wer sie ist, eines steht fest", warf Diana ein. „Wir unternehmen heute eine Einkaufsfahrt nach Chelsea."
„Nach Chelsea?" Harry sah sie fragend an. „Weil irgendeine Frau, die ihr noch nicht einmal kennt, euch sagt, ihr sollt da hinfahren?"
„Nein, weil wir hoffen, dort hübsches Tafelleinen zu finden", konterte Diana schlagfertig.
„Und weil wir lernen möchten, wie man rosa Flamingos bastelt", ergänzte Lady Florence lachend. „Wollen Sie uns nicht begleiten, Lord Marlowe?"
Lieber hätte er sich von einer Klippe gestürzt. „Es tut mir sehr leid, Lady Florence, aber ich kann nicht mitkommen", teilte er ihr mit gespieltem höflichen Bedauern mit. „Ich habe Geschäftliches zu erledigen. Wenn Sie mich bitte entschuldigen wollen?" Er stand auf, sammelte seine Zeitungen und die Morgenpost ein und verneigte sich vor den Damen rund um den Tisch. Sie waren so vertieft in ihr Gespräch über Platzkartenhalter in Form von rosa Flamingos, Einkaufsfahrten nach Chelsea und die Genialität von Mrs. Bartleby, dass sie Harrys Rückzug gar nicht bemerkten.
In den folgenden zwei Monaten sollte sich herausstellen, dass Harrys unbehagliches Gefühl an jenem Morgen weitaus zutreffender gewesen war als seine langjährige Meinung über Miss Doves Schriftstellerei. Als sechzig Tage vergangen waren, schien - zu Harrys Erstaunen und Leidwesen - alle Welt nur noch über seine ehemalige Sekretärin zu sprechen und ihre raffinierten Einfälle zu loben.
Er hatte immer gewusst, dass Miss Dove eine intelligente Frau war, aber nicht, über was für ein weitreichendes, umfassendes Wissen sie verfügte. Sie schien eine wandelnde und sprechende Encyclopedia Britannica zu sein.
Wie es aussah, wusste Mrs. Bartley alles. Sie wusste, wie man Tintenflecken aus Seide entfernte; sie kannte die richtige Art und Weise, wie eine junge Dame den Heiratsantrag eines Witwers ablehnen konnte; sie wusste, welche Restaurants nach dem Theater auch von Damen — in Begleitung, selbstverständlich! — besucht werden konnten und in welchen Bäckereien man zuverlässig das frischeste Teegebäck erhielt.
Sie versicherte Junggesellinnen, dass es vollkommen akzeptabel war, am Nachmittag mit einem jungen Mann auf einer öffentlichen Straße
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