Ich muss Sie küssen, Miss Dove
ich gehöre, so habe ich beschlossen, dass dieser Ort nicht Ihr Verlag ist! Wer könnte mir das auch verübeln? Ich war eine loyale, verlässliche Angestellte und habe alles getan, was von mir verlangt wurde und noch mehr. Das Einzige, was ich dafür bekommen habe, war nur noch mehr Arbeit."
„Und ein großzügiges Gehalt", konterte Harry.
Das überhörte Emma. „Sie haben mir eine Aufgabe nach der anderen aufgehalst, sich aber nie auch nur einen Moment Zeit genommen, mit mir über meine Manuskripte zu sprechen. Sie haben mich zu jeder Gelegenheit ausgenutzt und sind sogar so weit gegangen, mich zu beauftragen, Geschenke für Ihre Geliebten zu kaufen!"
„Das habe ich Ihnen nicht aufgetragen, ich habe Sie darum gebeten. Wenn Sie eine solche Abneigung gegen diesen Teil Ihrer Verpflichtungen hatten, hätten Sie mir das mitteilen müssen."
„Sie haben weder mich noch die vielen Dinge, die ich für Marlowe Publishing getan habe, zu schätzen gewusst", fuhr sie fort, als hätte er gar nichts gesagt. „Für Sie war ich einfach immer nur eine Selbstverständlichkeit. Nun, davon habe ich genug."
Harrys Aufgebrachtheit schlug um in Verblüffung, als sie ihn mit dieser Flut an Kritik überschüttete. Noch nie zuvor hatte sie auch nur einen Anflug von Verärgerung gezeigt, im Grunde genommen gar keine Gefühlsanwandlungen. Das hier war nicht die Miss Dove, die er kannte. Das war nicht die fügsame Sekretärin, die seit fünf Jahren tagaus, tagein unauffällig durch sein Blickfeld huschte, die seine Anweisungen heiter befolgte, ohne Fragen zu stellen und ohne sich zu beklagen. Und das war ganz gewiss nicht die Miss Dove, die immer tüchtig, präzise und anständig handelte. Das hier war eine ganz andere Frau, eine, die Harry nicht wiedererkannte.
Er betrachtete sie, und irgendetwas an der Art wie sie da stand im Sonnenschein, der durch das Fenster fiel, weckte seine Aufmerksamkeit. „Miss Dove", bemerkte er überrascht. „Sie haben ja rotes Haar!"
„Wie bitte?" Sie zuckte leicht zusammen. „Verzeihung ...?"
„Ihr Haar ist rot, das ist mir noch nie aufgefallen. Ich dachte immer, es wäre braun, aber das stimmt nicht. In der Sonne bekommt es einen roten Schimmer."
Sie runzelte die Stirn und blickte ihn äußerst verstimmt an. „Ich kenne meine Haarfarbe, vielen Dank. Was hat das bitte mit dem Ganzen hier zu tun?"
Irgendwie war es ihm wieder einmal gelungen, sie zu verärgern. „Es besteht kein Grund, darauf empfindlich zu reagieren", versicherte er ihr. „Ich weiß, manche Menschen mögen ihr rotes Haar nicht, aber Sie brauchen sich deswegen keine Sorgen zu machen. Ihres ist kein aufdringliches Rot. Es sieht braun aus, aber wenn Sie in der Sonne stehen, schimmert es plötzlich ganz kupferfarben. Es ist ..." Harry hielt inne, als hätte er soeben eine außergewöhnliche Erkenntnis gewonnen. „Es ist sehr hübsch."
Sie schien sich nicht über dieses Kompliment zu freuen, im Gegenteil sie wirkte ausgesprochen beleidigt. Wütend ballte sie die Fäuste. „Sie sind wirklich der berechnendste Mensch, der mir je begegnet ist! Und dazu noch durch und durch unaufrichtig."
„Unaufrichtig? Heißt das, Sie glauben mir nicht?"
„Natürlich glaube ich Ihnen nicht! Das Kompliment ist viel zu glatt, um eine echte Meinung sein zu können. Außerdem mögen Sie nur schwarzhaarige Frauen." Emma sah ihm seine Überraschung an und warf ihm einen triumphierenden Blick zu. „Wundern Sie sich nicht! Ich kenne Sie, Lord Marlowe. In den fünf Jahren, die ich schon für Sie arbeite, habe ich Ihren Charakter völlig durchschaut. Ich kenne Sie in- und auswendig, also hören Sie auf zu versuchen, mich mit Komplimenten umzustimmen. Es ist zwecklos. Sie verteilen Ihre Schmeicheleien genauso leicht, wie Sie Süßigkeiten an Kinder verteilen würden. Das hat allein zum Ziel, jemanden um den Finger zu wickeln, zu trösten oder zu bekommen, was Sie wollen — oder sich aus unangenehmen Situationen herauszuwinden. Warum andere auf solch eine Taktik hereinfallen — vor allem Frauen —, ist mir schleierhaft, aber ich bin zum Glück nicht so töricht."
Rotes Haar und Temperament noch dazu, dachte er erstaunt. Er hatte nicht gewusst, dass sie beides besaß. „Ich habe Sie nie für töricht gehalten."
„,Sie sind ein Schatz, Miss Dove'", ahmte sie ihn höhnisch nach. „,Was würde ich nur ohne Sie machen, Miss Dove?`. Glauben Sie wirklich, bei diesen oberflächlichen Anbiederungen hätte ich mich jemals wirklich wichtig oder hoch
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