Ich muss Sie küssen, Miss Dove
wiederholte Emma und nahm ebenfalls Platz.
„Ihnen ist es zu verdanken, dass Harry angefangen hat, sich Dinge wie Geburtstage oder Einladungen zu offiziellen Anlässen zu merken." Sie warf Mrs. Morris einen Blick zu. „Schon allein deswegen ist meine ganze Familie Ihrer lieben Miss Dove zu großem Dank verpflichtet."
„Tatsächlich", murmelte Mrs. Morris sichtlich erfreut. Lady Eversleigh wandte sich wieder Emma zu. Ein verschmitzter Ausdruck war nun auf ihrem Gesicht zu erkennen, der Emma von Marlowe nur zu vertraut war. „Und ich muss sagen, dass Sie immer die wundervollsten Geschenke für uns ausgesucht haben. Weiß der Himmel, was wir nun von ihm erhalten werden, da Sie ja nicht mehr seine Sekretärin sind."
Emma erwiderte ihr Lächeln. „Sie hätten eigentlich niemals hinter dieses kleine Geheimnis kommen sollen."
„Nun ja, mein Bruder wird Ihnen bestätigen, dass ich Rätsel liebe und eine besondere Gabe habe, Geheimnisse zu lüften." Sie zögerte kurz, ehe sie weiter redete. „Geheimnisse sind sogar unter anderem Grund für meinen Besuch."
„Tatsächlich?" Emma wurde immer erstaunter.
„Ja." Wieder sah die Baroness zu Mrs. Morris hinüber. „Ich würde gern mit Ihnen über eine wichtige und äußerst delikate Angelegenheit sprechen ..."
Es dauerte eine Weile, bis Mrs. Morris den versteckten Wink verstand. „Liebe Güte", sagte sie und stand auf. „Ich trödele hier herum, obwohl ich noch so viel zu tun habe. Ich lasse Sie jetzt mit Ihrem Besuch allein, meine liebe Emma", fügte sie hinzu und versuchte, ihre Enttäuschung nicht zu zeigen. Sie ging, zog die Tür hinter sich ins Schloss, und die beiden Frauen waren unter sich.
„Womit kann ich Ihnen behilflich sein, Lady Eversleigh?", erkundigte Emma sich.
Marlowes Schwester verzog das Gesicht. „Ach, ich finde es immer ganz schrecklich, wenn ich mit meinem Titel angesprochen werde. Dieser Name ..." Sie schloss kurz die Augen und schüttelte sich leicht. „Dieser Name weckt schmerzhafte Erinnerungen." Sie schlug die Augen wieder auf und beugte sich nach vorn. „Ich wünschte, wir könnten uns alle immer nur mit dem Vornamen anreden, das wäre so viel einfacher. All diese Betonung auf Titel, Ränge und wer welchem Kreis angehört, ist auf Dauer so ermüdend. Sie stimmen dem wahrscheinlich nicht zu, weil Sie ja die berühmte Mrs. Bartleby sind und somit ein Vorbild an guten Manieren."
Emma konnte ihre Überraschung nicht verbergen. „Sie wissen über mich Bescheid?"
„Ich sagte Ihnen doch, ich habe ein Talent, Dinge herauszufinden. Aber ich habe Harry hoch und heilig versprochen, niemandem davon zu erzählen, und er kennt mich so gut, dass er mir vertraut. Mrs. Bartlebys Geheimnis ist gut bei mir aufgehoben. Aber um nun zum Grund meines Besuchs zu kommen, so haben Sie gewiss schon gehört, dass ich im Januar den Earl of Rathbourne heiraten werde."
„Ja, und nehmen Sie bitte meine aufrichtigen Glückwünsche zu Ihrer Verlobung entgegen. Sie machen mich jedoch neugierig, Baroness. Weshalb führt Ihre Verlobung Sie zu mir?"
„Meine Schwester, meine Mutter, meine Großmutter und ich sind treue Leserinnen Ihrer Kolumne. Wir lieben Mrs. Bartleby über alles."
Emma wurde warm ums Herz bei diesen freundlichen Worten. „Das ehrt mich sehr! Ich mag sie selbst auch ganz gern."
„Das sollten Sie auch. Nachdem ich nun also hinter Ihre Identität gekommen bin, habe ich beschlossen, Sie aufzusuchen und Sie um Ihre Hilfe zu bitten. Das ist zwar etwas unverschämt, ich weiß, aber so ist es nun einmal. Ich brauche Ihre Hilfe. Wissen Sie ..." Die Baroness zögerte und schien sich plötzlich ein wenig unbehaglich zu fühlen. „Ihnen ist vielleicht bekannt, dass die Scheidung meines Bruders ein langwieriger, schmerzhafter Prozess gewesen war. Ganz besonders natürlich für Harry, aber für uns als Familie auch."
„Ja." Emma sah sie mit verständnisvollem Mitgefühl an. „Das weiß ich."
„Viele unserer Bekannten haben meinen Bruder für diesen Schritt verachtet. Harrys Konkurrenten zerrissen uns förmlich in ihren Zeitungen. Die schrecklichsten Behauptungen wurden aufgestellt. Und natürlich war es nicht gerade hilfreich, als kurz nach der gerichtlichen Bewilligung seiner Scheidung die Königin eine Erklärung abgab, in der sie die Scheidung und diejenigen, die den Ehebund auflösten, streng verurteilte. Die Erklärung war ganz allgemein gehalten, aber jeder wusste, an wen sie gerichtet war. Gesellschaftlich hat das unser Schicksal
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