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Ich muss Sie küssen, Miss Dove

Titel: Ich muss Sie küssen, Miss Dove Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Laura Lee
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ihr absurd, vor allem, so lange noch dieses dunkle, heiße Verlangen in ihr schwelte und jederzeit wieder auflodern würde, sobald er sie berührte. Und er würde sie wieder berühren. Und wenn sie glaubte, sie würde ihn daran hindern, machte sie sich nur selbst etwas vor.
    Aufhören, dachte sie erschüttert. So ein einfaches Wort. Und so schwer über die Lippen zu bekommen.

16. KAPITEL
Eine interessante Begleitung ist die angenehmste Art, gesellschaftlich zu verkehren.
    Mrs. Bartlebys Social Gazette, 1893

    Emma nicht auf der Stelle lieben zu können war mit das Schwerste gewesen, was ihm je widerfahren war. Langsam kam Harry zu dem Schluss, dass es auch das Dümmste gewesen war. Unruhig veränderte er seine Sitzhaltung in der Kutsche, um sich etwas Erleichterung zu verschaffen, aber das war sinnlos. Denn der Grund für seinen erregten Zustand saß ihm genau gegenüber, unwiderstehlich zerzaust und mit von seinen Küssen immer noch geschwollenen Lippen.
    Zum Glück blickte Emma ihn nicht an, sondern starrte auf diesen schrecklichen Hut auf ihrem Schoß und zupfte an der Krempe herum. Wahrscheinlich fragte sie sich, ob sie nun geradewegs zur Hölle fahren musste.
    Die Kutsche holperte. Harry verzog das Gesicht und verlagerte erneut sein Gewicht. Mit geschlossenen Augen lehnte er sich zurück in den Sitz und verfluchte Jungfrauen, Anstandsregeln und die unerklärlichen Anwandlungen von Ritterlichkeit, die ihn neuerdings immer wieder überkamen.
    Wenn du mir sagst, ich soll aufhören, dann höre ich auf.  
    Was hatte er sich bloß dabei gedacht, etwas so Dummes von sich zu geben? Und schlimmer noch, sie hatte ihn noch nicht einmal gebeten aufzuhören. Er hatte das von sich aus getan. Und warum? Ihm war wieder eingefallen, wo sie sich befanden, darum. Er war der Meinung gewesen, Emmas erstes Mal sollte nicht gerade auf einem Schreibtisch stattfinden.
    Am liebsten hätte er sich von einem der Pferde einen ordentlichen Huftritt gegen den Kopf versetzen lassen, dann wäre er wenigstens nicht mehr in der Lage gewesen, weiter mit sich zu hadern.
    Die Kutsche hielt mit einem Ruck an, und Harry atmete erleichtert auf. Der Kutscher hatte kaum den Schlag geöffnet und die kleine Treppe heruntergeklappt, da war Harry auch schon ausgestiegen und hielt Emma die Hand hin, um ihr behilflich zu sein. Er begleitete sie bis zu ihrer Haustür.
    „Gute Nacht, Emma", wünschte er mit einer Verbeugung und wandte sich zum Gehen.
    „Möchtest du ..." Sie räusperte sich und zeigte mit dem Hut auf die Tür. „Möchtest du noch mit hereinkommen?"
    Ein Hoffnungsschimmer glomm in ihm auf, aber Harry erstickte ihn sofort wieder, als ihm bewusst wurde, mit wem er da sprach. „Warum?", fragte er knapp. „Lädst du mich in deine Wohnung ein?"
    Emma errötete sofort. „Nein. Natürlich nicht. Ich dachte nur ... vielleicht etwas Tee?" Sie hielt seinem Blick tapfer stand. „Im Salon. Unten."
    Sie wollte jetzt Tee trinken? Ungläubig starrte er sie an. „Tee?"
    Sie nickte. „Ich glaube, wir könnten jetzt beide eine Erfrischung vertragen."
    Bisweilen fragte er sich, ob Emma von dieser Welt war. Als er sie jetzt so ansah, fing er fast an zu glauben, dass womöglich vor vier Monaten ein Waldgeist von ihrem Körper Besitz ergriffen hatte, mit der einzigen Absicht, Harry das Leben zur Hölle zu machen. Wahrscheinlich hatte er in irgendeinem Sommer in Torquay vergessen, eine hübsche Haarnadel in den Höhlen zu hinterlegen, und deshalb waren die Kobolde nun hinter ihm her und sannen auf Rache. „Wenn du Whisky und Soda da hättest, würde ich dich beim Wort nehmen. Weiß Gott, ich könnte einen Drink gebrauchen. Aber sonst, nein. Ich fahre nach Hause." Und wenn er vernünftig war, suchte er vorher ein Freudenhaus auf.
    „Mrs. Morris hat vielleicht eine Flasche Whisky."
    Harry betrachtete Emma eine Weile und fing an, lasterhaft wie er nun einmal war, abzuschätzen, wie groß seine Chancen waren, in ihre Wohnung zu gelangen. Er konnte sehr überzeugend sein, wenn er es darauf anlegte. Nach einigem Hin und Her kam er zu dem Schluss, dass es durchaus möglich war, es bis in Emmas Räumlichkeiten zu schaffen, wo er sie dann in einem ordentlichen Bett lieben konnte. Für den Schreibtisch war später immer noch Zeit. „Gut, dann nehme ich die Einladung an", sagte er schließlich und folgte ihr ins Haus.
    Die schrecklich neugierige Dame des Hauses, Mrs. Morris, hielt sich gerade im Salon auf. Sie zeigte sich erfreut, Emmas früheren Arbeitgeber

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