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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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keinerlei Reaktionen wie Abscheu, Ekel u. ä. zu zeigen. Heute habe ich Kroll zum ersten Mal bei der Vernehmung erlebt. Er spricht leise und wenig, ja oft einsilbig. Zu ganzen Sätzen muß man ihn ermutigen. Im Detail ist er in der Sache Bracht noch immer unaufrichtig. Die volle Wahrheit dürfte er noch nicht gesagt haben.«
    Noch am selben Tag wurden die Medien durch den Staatsanwalt und den Leiter der Mordkommission über die Vorkommnisse in der Friesenstraße 11 und den Stand der Ermittlungen informiert. Ausdrücklich nahm der ermittelnde Staatsanwalt die Eltern Tanjas in Schutz: »Man kann den Eltern des getöteten Kindes nicht den geringsten Vorwurf machen, dass sie ihre Aufsichtspflicht verletzt hätten. Tanja spielte zusammen mit anderen Kindern auf einem von der Straße nicht zugänglichen Hinterhof. Hier konnte sie auch von der elterlichen Wohnung her beobachtet werden. Die Eltern waren zu Hause. Das ganze ist eine furchtbare Tragödie.«
    Am nächsten Tag machte der Fall bundesweit Schlagzeilen: »Staatsanwaltschaft spricht von einem entsetzlichen Fall von Kannibalismus.« »Mörder kochte Leichenteile seines Opfers.« »Kind vom ›lieben Onkel‹ ermordet.« »Im Sexrausch das Opfer zerstückelt.« »Mädchen grausam ermordet.« »Kleines Mädchen erwürgt, zerstückelt und gekocht.« »Grausamster Kindesmord in der Kriminalgeschichte.«
    Zu diesem Zeitpunkt konnte niemand ahnen, dass die Aufklärung einer der düstersten Mordserien der deutschen Kriminalgeschichte kurz bevorstand – auch die überaus akribischen Ermittler der Duisburger Kripo nicht.

38
                        
                       21 Jahre, vier Monate und 27 Tage waren seit Krolls erstem Mord vergangen. Er hatte schon nicht mehr damit gerechnet, dass sie ihn eines Tages doch noch schnappen würden. Und er hatte sich den Tag X immer ganz anders ausgemalt: dramatischer, brutaler. Doch das Gegenteil war der Fall gewesen: Zwei Polizisten hatten bei ihm geschellt, ein paar Fragen gestellt, und er hatte genau so reagiert, wie es von ihm befürchtet worden war. Es hatte nicht länger als eine halbe Stunde gedauert.
    Allerdings wunderte er sich, dass er nicht angebrüllt und auch nicht geschlagen worden war – wie einst der »Sittentäter« auf der Polizeiwache, der von den Polizisten wie ein räudiger Hund erbarmungslos zu Tode geprügelt worden war. Stundenlang hatte er darauf gewartet, dass ihn die Beamten an einen Lügendetektor anschließen würden, um ihn durch heftige Stromstöße zu einem Geständnis zu zwingen. Sein Vater hatte ihm schließlich von solchen Gestapo-Methoden erzählt, die gegen abgestürzte amerikanische Flieger angewandt worden waren. Aber nichts dergleichen war passiert.
    Statt dessen kümmerten und bemühten sich die Beamten um ihn. In regelmäßigen Abständen besuchten sie ihn in seiner winzigen Zelle des Präsidiums oder brachten ihn in ein Zimmer im dritten Stock, um dort zu plaudern. Es wurde kein Druck ausgeübt, es wurden keine Vorwürfe erhoben, es wurde nicht gebrüllt. Die Kriminalisten, die sein Geständnis protokolliert hatten, waren die Ersten, die Kroll geduldig zuhörten, auf ihn eingingen, ihm Zeit ließen.
    Doch Kroll blieb äußerlich ungerührt, er gab sich mürrisch, wortkarg oder sprach überhaupt nicht. Schließlich versuchten die Ermittler eine andere Strategie: Alle Mitglieder der 12-köpfigen »Mordkommission Kroll« saßen an einem runden Tisch. Kroll auch. Sie hatten sich Butterbrote und Sprudel aus der Kantine mitgebracht, unterhielten sich scheinbar zwanglos über ihre Familien, Kinder, Hobbys. Sie stellten Kroll keine Fragen, beachteten ihn gar nicht. Nach etwa einer halben Stunde meldete sich jemand zu Wort, der bis dahin gar nichts gesagt hatte. »Ich mag Blasmusik«, versicherte Kroll, »am liebsten Egerländer.« Das Eis war gebrochen.
    Das Verhalten der Beamten imponierte, es schmeichelte ihm. Er fühlte sich nicht als Verbrecher oder als Versager, sondern glaubte als Mensch angenommen zu werden. Und als die Ermittler ihn höflich danach fragten, »ob denn auch alles so passiert« sei, wie er es geschildert habe, öffneten sich Türen, die für ihn bis dahin fest verrammelt gewesen waren, durch die er jetzt hindurch spazieren konnte. Er verlor nach und nach die Scheu, die Angst, sich auch zu den intimsten Dingen zu bekennen, über die er zuvor mit keinem Menschen gesprochen hatte.
    Am 6. Juli, kurz nach 18 Uhr, war er so weit. Die beiden

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