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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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versprechen würde. Und Monika hatte treuherzig versichert: »Nein, Mutti, das mache ich nicht.« All das drängte jetzt wieder zurück ins Bewusstsein.
    Auch Heinz Reimer, mittlerweile Betriebsrat in einem Großunternehmen, holte die Erinnerung wieder ein: die grausamen Tage der Ungewissheit, als Monika vermisst wurde; die eigene Hilflosigkeit; der Moment, als zwei Kriminalbeamte die Todesnachricht überbrachten; die tiefe Resignation; die stechenden Schmerzen, gegen die es kein Mittel gab.
    Dass Kroll ihre Tochter umgebracht hatte, war den Reimers von Reportern erzählt worden, die kurz nach dem Geständnis ihr Haus belagert, schließlich sogar ins Wohnzimmer eingedrungen waren, um Fotos zu schießen. Sie waren förmlich überrannt worden. Tage später hatten Vera und Heinz Reimer schließlich doch eingewilligt und ein Interview gegeben. Der schwer zu ertragende Presserummel, bisweilen auch in Psychoterror ausartend, sollte endlich ein Ende haben.
    Der Reporterin eines Duisburger Lokalblatts erzählte Vera Reimer von ihren Gefühlen: »Haß kann man wohl nach solch langer Zeit nicht empfinden. Vielleicht ein bißchen Genugtuung darüber, daß der Mörder gefaßt ist.« Aber die 45-Jährige äußerte auch Ängste und Zweifel: »Was geschieht mit ihm? Wird man ihn auch für immer festhalten?«
    Ihr Mann Heinz hatte wesentlich konkretere Vorstellungen. »Die Todesstrafe lehne ich ab«, ließ er sich zitieren, »kein Mensch hat das Recht, einen anderen zu töten. Ich wünsche mir, daß der Kroll noch lange lebt. Jahrelang im Gefängnis malochen und nachdenken muß. Der Tod wäre für den doch nur eine Erlösung.«
    Die Ermittler der Mordkommission schufteten unablässig, 12 bis 14 Stunden am Tag, häufig auch an den Wochenenden. Da Kroll sich nicht ohne visuelle Hilfen an weitere Morde erinnern konnte oder erinnern wollte, mussten zahlreiche »Ausfahrten« unternommen werden. Potentielle Tatorte gab es genug: In Bochum, Wattenscheid, Ahlen, Beckum, Hösel, Dortmund, Kamen, Bottrop, Gladbeck, Coesfeld, Dorsten, Mülheim, Gelsenkirchen, Oberhausen und Hattingen waren Kinder, Mädchen und Frauen einem unbekannten Sexualverbrecher zum Opfer gefallen, der nach ausgewähltem Opfertyp, Beschaffenheit der Tatörtlichkeit und dem bevorzugten »Modus Operandi« auch Kroll sein konnte.
    Doch die Ergebnisse waren ausgesprochen mager. Die Ermittler erhofften sich Antworten, sie bekamen von Kroll aber allzu oft nur Fragen gestellt: »Waren die Bäume hier früher nich’ kürzer?«, »Gab’s hier mal ’n Weg?«. Oder: »Die Mauer war da aber nich’. Vielleicht doch?«
    Über Jahrzehnte hinweg war Kroll einem Gemüts- und Erregungszustand ausgeliefert gewesen, den er in seiner schlichten Sprache als »komisches Gefühl« bezeichnete. Jetzt offenbarte er den ihn vernehmenden Beamten, was es damit auf sich haben sollte: »Wenn ich zu Hause weggehe, ist es nicht so stark. Da verspür’ ich nur so’n leichtes Kribbeln in der Brust. Ich hab’ dann auch den Gedanken, dass ich eine Frau haben muss. Erst wenn mir ’ne Frau entgegenkommt, wird das Gefühl immer stärker. Das is’ dann immer so, als wenn ganz viele Ameisen auf der Brust rumkrabbeln würden. Weiter kommt noch dabei, daß ich nervös werd’ und mein Herz immer schneller pocht. Die Hände fangen auch an, ’n bißchen zu zittern, und das nervöse Gefühl wird auch stärker. Ich kann das dann gar nich’ so gut aushalten.«
    Mittlerweile hatte sich insbesondere zwischen Kriminalobermeister Thomas Wippermann und Kroll ein Vertrauensverhältnis entwickelt. Und das zahlte sich immer wieder aus. Kroll hatte keine Scheu mehr, auch die intimsten Dinge auszubreiten. So fragte Wippermann ihn auch: »Achim, was denkst du dabei, wenn du eine Frau oder ein Mädchen umbringst?«
    Seine Antwort: »Ich werd’ ganz nervös dabei, vor allem, wenn die sich wehren. Dann muß ich die einfach kaputtmachen, dann is’ das Kribbeln bei mir unheimlich stark. Dann kann ich einfach nich’ anders. Ich muß die kaputtmachen!« Später ergänzte er: »Wenn ich die kaputtmach’, hab’ ich einen richtigen Steifen. Das is’ so schlimm, daß mir dann sofort einer abgeht, wenn ich mit meinem Schwanz die Frau nur berühr’ oder noch gar nich’ richtig drin war.«
    Am 28. Juli konnte schließlich noch ein weiteres düsteres Kapitel aufgeschlagen werden. Kroll wollte sich zu »Kp Recklinghausen MK 6238/66« äußern. Hinter dem Behördenkürzel verbarg sich die Ermordung von Angelika Fritz, damals

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