Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
Köln frappierende Übereinstimmungen erkennen. Am 2. Juni – also nur zehn Tage vor Manuelas Entführung – hatte ein Mann an einer Baustelle zwei Kinder angesprochen, schließlich eine Siebenjährige auf seinem Fahrrad mitgenommen. Der Täter war mit dem schreienden Kind bis nach Rodenkirchen gefahren und hatte versucht, das Opfer in einem Gebüsch zu missbrauchen. Passanten, von den Hilferufen des Kindes angelockt, hatten den Täter schließlich vertrieben und Schlimmeres verhindert. Die Personenbeschreibung dieses Mannes stimmte mit der von Manuelas Entführer »sehr gut« überein, auch die benutzten Fahrräder waren, so wollten es Zeugen beobachtet haben, jeweils »aluminiumfarbig mit roten Streifen«.
Dunkle Vorahnungen schienen sich zu bewahrheiten. Die Kripo hatte es offensichtlich mit einem Serientäter zu tun. Die Kriminalisten in Duisburg, Essen, Neuss und Düsseldorf tauschten deshalb fleißig Informationen aus. Obwohl die Taten in Neuss und Köln deutliche Unterschiede zu dem Mord an Ilona Dönges in Dinslaken und der »Vermisstensache Reimer« in Walsum aufwiesen, konnte keine Entwarnung gegeben werden. Möglicherweise jagte die Polizei einen »Psychopathen«, der sich nicht so »perseverant« (gleichartig) verhielt, wie es Kriminalisten und Kriminologen erwarten würden.
Die Suchmaßnahmen wurden auch am Freitag, den 15. Juni fortgesetzt. In Neuss-Holzheim waren die Wehre der Erft geschlossen worden, um den Wasserspiegel in den oberen Bachläufen zu senken. Schon im Morgengrauen begannen Männer der Neusser Freiwilligen Feuerwehr damit, das Bachbett der Obererft im Gebiet des »Reuschenberger Buschs« nach Hinweisen zu durchforsten. Gegen 5.30 Uhr stieß man schließlich etwa 50 Meter unterhalb einer Steinbrücke im Uferschlamm auf einen leblosen menschlichen Körper. Die Tote, zweifelsfrei ein Kind, hatte noch einen Rollschuh angeschnallt, der zweite fand sich in unmittelbarer Nähe der Brücke. Eine Stunde später war die Leiche identifiziert. Manuelas Eltern brachen weinend neben dem toten Körper ihrer Tochter zusammen.
Die noch am selben Tag durchgeführte Obduktion ergab als Todesursache »Erwürgen«, der Täter hatte den Leichnam »mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit« von der Brücke in den Bach geworfen. Spuren sexuellen Missbrauchs waren nicht mehr nachweisbar, der Leichnam hatte zu lange im Wasser gelegen. Allerdings konnten die Gerichtsmediziner definitiv sagen, was nicht passiert war: »Das Opfer ist nicht vergewaltigt worden.«
Die »Mordkommission Hallich« hatte alle Hände voll zu tun, 180 »Einzelspuren« musste nachgegangen werden. Mehrfach schien es so, als sei man dem Täter dicht auf den Fersen. In Zons renommierte ein Betrunkener: »Ich bin der Mörder!« Aber er war es nicht. Im Düsseldorfer Caritasheim unternahm ein 27-Jähriger einen Selbstmordversuch. Der Mann besaß ein Fahrrad, das dem des Mörders sehr ähnlich war. Schnell keimte Hoffnung auf. Aber auch der Lebensmüde konnte es nicht gewesen sein – er hatte ein »wasserdichtes Alibi«, berichtete die Kripo. Dann fiel zwei Schupos in unmittelbarer Nähe des Leichenfundortes ein junger Mann auf, der sich merkwürdig benahm, der Täterbeschreibung stark ähnelte und sich nicht ausweisen konnte. Der Verdächtige wurde kassiert – und noch am selben Tag wieder freigelassen. Es hatte sich herausgestellt: Der 25-Jährige war ein unbescholtener Versicherungsvertreter und hatte »mal austreten« wollen. Schließlich tippte der elfjährige Junge, der den Mörder bei der Entführung vom Hauseingang kurze Zeit hatte beobachten können, in der »Lichtbildvorzeigekartei« auf das Foto eines »Sittentäters«: »Der hat so ausgesehen wie der da.« Auszuschließen war die behauptete Ähnlichkeit nicht, nur hatte dieser Mann zur Tatzeit volltrunken in einer Ausnüchterungszelle des Düsseldorfer Präsidiums ausharren müssen. Wieder Pustekuchen!
Die Neusser Polizei wandte sich erneut an die Bevölkerung. In einem Aufruf hieß es: »Helfen Sie der Polizei, diesen Unhold unschädlich zu machen, bevor er ein weiteres Verbrechen begeht. Denken Sie daran, dass vielleicht auch Ihr Kind sein nächstes Opfer sein könnte.« Den Medien wurde ob der eigenen Erfolglosigkeit trotzig versichert: »Die Suche nach dem Täter wird mit aller Härte und unter Einsatz aller möglichen Mittel fortgesetzt.«
Am 16. Juni alarmierte eine Mitteilung die Düsseldorfer Polizei. Gegen 11 Uhr wurde Christiane Droßmann von ihrer
Weitere Kostenlose Bücher