Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
Fahndung.
Mittags gaben die Neusser und die Düsseldorfer Polizei eine gemeinsame Pressekonferenz. Der die Ermittlungen leitende Kriminalkommissar Klaus Hinrichs begann sein Statement mit einer düsteren Prognose: »Es ist eine recht böse Geschichte. Wir müssen mit dem Schlimmsten rechnen.« Dann beschrieb er den Verdächtigen: »Dieser Mann ist 30 bis 35 Jahre alt. Seine genaue Größe ist unbekannt. Er ist schlank und hat ein blasses, eingefallenes Gesicht. Er war mit einer mittelbraunen, gabardineähnlichen Hose und einem Gehrock aus ähnlichem Stoff, der jedoch heller wirkte, einem hellbraunen Hut und schwarzen Schuhen bekleidet. Er trug ein mittel- bis dunkelblaues, möglicherweise auch grünlich erscheinendes und vielleicht gemustertes Hemd.« Weiter erklärte der 46-Jährige den überaus zahlreich erschienenen Pressevertretern: »Tatverdächtig sind Personen, auf die diese Beschreibung zutrifft und die am Dienstag zwischen 10.30 Uhr und mindestens 13 Uhr nicht zu Hause oder auf ihrer Arbeitsstelle waren. Das Fahrrad muss nicht Eigentum des Entführers sein und der Mann muss keineswegs ein Neusser Einwohner sein, obwohl die Vermutung nahe liegt, dass er aus Neuss oder aus Düsseldorf stammt. Die Kriminalpolizei ist an allen Informationen über Personen, auf die die vorstehenden Merkmale zutreffen, dringend interessiert.«
Auch die erschreckende Hypothese, dass es sich um denselben Täter handeln könnte, der auch in Dinslaken und Walsum – Monika Reimer galt nach wie vor als vermisst – zugeschlagen hatte, wurde diskutiert. Dr. Bernd Wehner, der Leiter der Düsseldorfer Kriminalpolizei, wollte dieses Horror-Szenario »nicht ausschließen« und wies in diesem Zusammenhang auf die unsäglichen Gräueltaten des »Vampirs von Düsseldorf« hin. Der Fabrikarbeiter Peter Kürten hatte 1929 mit seinen äußerst brutalen Morden an Kindern, Frauen und Männern eine ganze Stadt terrorisiert. Dr. Wehner wollte Parallelen erkannt haben und mahnte: »Das hat damals auch mit einer Kindesentführung angefangen.« Kürten selbst schied als Verdächtiger aus. Er hatte 1931 unter dem Fallbeil sein Leben verloren.
Abschließend ermunterte Kommissar Hinrichs die Bevölkerung zur Mitarbeit und formulierte einige Fragen: »Wer hat den beschriebenen Entführer zur Tatzeit gesehen oder beobachtet? Wer hat den Entführer mit dem vermissten Kind auf dem Fahrrad gesehen? Sind auch andere Kinder am Dienstag oder an anderen Tagen irgendwo in Neuss oder Umgebung oder in Düsseldorf von einem Mann angesprochen worden und zum Mitgehen oder zum Mitfahren auf einem Fahrrad aufgefordert worden? Haben Kinder, die am Dienstag in oder in der Nähe der Eichendorff-, Weber- und Hölderlinstraße spielten, Beobachtungen in Bezug auf den Mann mit dem Fahrrad gemacht?« Für »sachdienliche Hinweise, die zur Ergreifung des Täters führen«, wurden 3000 Mark ausgelobt.
Am Nachmittag wurde nochmals der »Reuschenberger Busch« abgesucht. Bei drückender Hitze stöberten 50 Polizisten, den Knüppel in der Hand, durch das teilweise sumpfige Gelände. Zeitgleich suchten Kräfte der Feuerwehr mit Schlauchbooten an den Ufern der Erft. Gefunden wurde so einiges, im Gebüsch oder Morast lagen Schlüpfer, Schuhe oder Brieftaschen, aber letztlich nichts, was auf Manuela oder ihren Entführer hinwies. Auch die eingesetzten Suchhunde nahmen keine Spur auf. Manuelas Eltern hielt es nicht mehr zu Hause: Aus einiger Entfernung beobachteten sie das vergebliche Bemühen der Polizei – und hofften und bangten.
Am nächsten Tag meldeten sich zahlreiche Bürger, die aufmerksam die Zeitung gelesen hatten. Eine Frau, deren Angaben als »glaubhaft« eingeschätzt wurden, berichtete aufgeregt, am Dienstagabend, gegen 19.30 Uhr, einen Mann und ein Kind, das Manuela »täuschend ähnlich sah«, in der Nähe des Bahnhofs in Schiefbahn, einer kleinen Gemeinde nahe Neuss, gesehen zu haben. Sofort wurden Polizisten aus Neuss, Grevenbroich, Krefeld-Kempen und Mönchengladbach in Marsch gesetzt. Aber die Suche musste nach Stunden ergebnislos abgebrochen werden.
Auch andere Zeugen wollten dem mysteriösen Unbekannten begegnet sein: mal in Zons, mal in Neusserfurth, dann in Düsseldorf – allerdings etwa zur selben Zeit. Alle Spuren führten ins Nichts.
In Duisburg, Wuppertal, Leverkusen und Köln wurden die Akten ähnlicher Verbrechen der jüngeren Vergangenheit »nach Tatgleichheit« überprüft. Und tatsächlich ließ ein »Sittlichkeitsdelikt« aus dem Raum
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