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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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sympathisch – und attraktiv. Hin und wieder unternahm man nun auch etwas zu dritt, amüsierte sich auf der Kirmes, ging ins Kino oder fuhr zum Pferderennen nach Dinslaken oder Gelsenkirchen.
    Im Sommer 1966 bekam Hansen eine Kur verschrieben, ein chronisches Rückenleiden machte ihm schwer zu schaffen. Helga Zyrus war dessen mehrwöchige Abwesenheit nicht unrecht. Es kriselte in ihrer Beziehung. Helga fühlte sich vernachlässigt – besonders sexuell. Die lebenslustige junge Frau mit den kurz geschnittenen rotblonden Haaren, die gerne mal über die Strenge schlug, hatte keine ernsthaften Trennungsabsichten, aber sie suchte eine Abwechslung. Und dafür hatte sie sich ausgerechnet den Freund ihres Verlobten ausgeguckt. Der Grund war einleuchtend: Sie vermutete, dass sie ihn mühelos herumkriegen würde.
    Er hatte von ihren Absichten nichts mitbekommen. Darum war er auch vollkommen perplex, als Helga eines Abends vor seiner Tür stand – mit einer Flasche Sekt in der Hand.
    »‘n Abend, kann ich reinkommen?«
    Er sagte nichts, nickte nur kurz.
    »Mir war langweilig, und da hab’ ich mir gedacht, kommst’ einfach mal vorbei.«
    »Och, warum nich’.«
    »Guck mal.« Sie hielt ihm die Sektflasche entgegen. »Hab’ was zum Picheln mitgebracht. Was meinst’?«
    »Wegen mir.« Mehr brachte er nicht heraus. Es war das erste Mal, dass eine Frau ihn besuchte. Obwohl er Helga nun schon ein knappes Jahr kannte und sie sich prima verstanden, war es nicht so wie sonst. Instinktiv spürte er, dass sie nicht um ihrer Freundschaft willen gekommen war oder um zu plaudern. Das irritierte und verunsicherte ihn. Da war auf einmal mehr. Und dieser Überschuss erinnerte ihn schlagartig an alle Erniedrigungen und Peinlichkeiten, die er bei derlei Gelegenheiten hatte ertragen müssen.
    »Was stierst’n so? Hast’n Geist gesehen?«
    Er hatte sie und sich für einen Moment vergessen. »Och, nee. Is’ nix. Hab’ nur kurz an Rolf gedacht. Was der jetzt wohl so macht und so.«
    »Den vergessen wir jetzt mal.« Helga drückte ihm die Sektflasche in die Hand. »Kriegst’ die auf?«
    Während er sich an der Flasche zu schaffen machte, besorgte sie zwei Biergläser und stellte sie auf den Tisch. Helga kannte sich in der Bude ihres Verlobten aus. Er ließ den Korken gegen die Decke knallen und schenkte ein.
    »So, mein Lieber, auf uns beide. Verstehst’?« Helga schaute ihn entrückt an.
    »Is’ klar.«
    Sie unterhielten sich über ihre Arbeit, seinen Job, die Familie, Rolfs Rückenbeschwerden, die gestiegenen Lebensmittelpreise und den Hund, der in Helgas Nachbarschaft ständig kläffte. Nach dem zweiten Glas Sekt wurde Helga direkter: »Mit Rolf is’ nur noch tote Hose. Der hat mich schon lange nich’ mehr angefasst.« Dann rückte sie deutlich näher und nahm seine Hand.
    Das verstand er. Und er war auch dazu bereit. Die Angst, wieder zu versagen und die Befürchtung, die Verlobte seines Freundes könnte schwanger werden, vermochten seinen Enthusiasmus nicht zu bremsen. Auch der Alkohol, den er nicht gewohnt war, half ihm dabei, seine Skrupel zu überwinden. Ihm wurde warm.
    Dann nahm er all seinen Mut zusammen: »Willst’ poppen?«
    Helga ließ sich nichts anmerken. Sie war ein wenig pikiert, und sie hätte es sich schon etwas romantischer gewünscht. Aber sie kannte auch seine unverblümte, ungelenke Art, sich auszudrücken. Also antwortete sie nicht, sondern legte seine Hände auf ihr Dekolleté.
    Sie küssten sich, begannen zu schmusen. Dann zogen sie sich aus und berührten einander. Das gefiel ihm. Helga war jetzt bereit. Er wollte auch. Doch es tat sich nichts. Sie versuchte ihn zu stimulieren, er ließ sich alles gefallen. Aber es regte sich immer noch nichts. Eine Viertelstunde bemühte sie sich – nur eine Erektion kam nicht zustande. Schließlich gab sie entnervt auf.
    »Was is’n los?«
    Er stand da, hilflos, ratlos, konnte ihr nicht in die Augen schauen – und nichts erwidern. Mit allem hatte er gerechnet, nur damit nicht. Früher war er dafür verspottet worden, dass er sich nicht beherrschen konnte. Und das hatte er auch heute befürchtet. Aber dass sich bei ihm gar nichts tat, war noch schlimmer als das, was er früher hatte durchmachen müssen. Er spürte förmlich die unzähligen spitzen Zeigefinger, die auf ihn gerichtet waren. Und er hörte seinen Vater toben: Versager. Versager. Versager.
    Helga hakte nach: »Hab’ ich was falsch gemacht?«
    Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. Zögerlich. Kaum

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