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Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)

Titel: Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stephan Harbort
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hörbar. »Nee.« Mehr gab es dazu nicht zu sagen. Seine Gedanken behielt er für sich. So normal klappt das bei mir eben nich’. Das is’ doch nix!
    Jetzt war Helga endgültig bedient. Sie zog sich an und ging – ohne ihn eines Blickes zu würdigen. Wortlos.
    Er war wie vor den Kopf geschlagen, musste sich setzen. Wieder so eine Blamage. Eine ganze Weile stierte er auf den Wasserhahn des Waschbeckens, den er aber gar nicht wahrnahm. Er war am Boden zerstört, seine hochfliegenden Erwartungen hatten sich nicht erfüllt, erneut drohte ein dunkler Abgrund ihn zu verschlucken. Wo seine Unfähigkeit herrührte, konnte er sich nicht mit letzter Gewissheit erklären. Aber die Konsequenz aus alldem erschien ihm einleuchtend: Mit den Frauen klappt das einfach nich’!
    Seine Frigidität akzeptierte er wie ein Naturgesetz, dem er sich zu unterwerfen hatte, gegen das er machtlos war. Aber er tröstete sich damit, dass es für ihn auch andere Möglichkeiten gab, um sich austoben zu können, um diesen unheilvollen Drang loszuwerden. Dass dies den qualvollen Tod eines anderen Menschen bedeuten würde, ließ ihn keineswegs zurückschrecken, es faszinierte, es erregte ihn. Nichts und niemand würde ihn davon abhalten können, er wollte auch weiterhin Menschenleben auslöschen, sich an den Qualen seiner Opfer berauschen. Es gab kein Zurück mehr. Und er war entschlossener denn je.

26
                        
                       »Wir sehen uns morgen, tschüss.« Angelika Fritz verabschiedete sich von ihrer Kollegin und verließ das Büro um kurz nach 18 Uhr. Die 20-Jährige arbeitete seit einem halben Jahr in der Buchhaltung von »Edeka«, dem Lebensmittelgroßhandel. Sie wollte ihren Freund besuchen, mit dem sie sich am Nachmittag telefonisch verabredet hatte.
    Angelika Fritz wohnte seit knapp drei Monaten bei ihrer Großmutter in Marl, einer etwa 85000 Einwohner zählenden Industriestadt im nördlichen Ruhrgebiet. Ihr Vater hatte sie kurzerhand vor die Tür gesetzt, er war die ständigen Streitereien satt, und es hatte ihm nicht gepasst, dass seine Tochter sich gleich für eine ganze Reihe von Männern interessierte, obwohl sie in festen Händen war. Als er zudem von einer Arbeitskollegin Angelikas zufällig erfahren hatte, dass seine Tochter sich mit ihren zahlreichen Affären und Amouren auch noch brüstete, war es genug. Hilfe von ihrer Mutter konnte Angelika nicht mehr erwarten, sie war dreieinhalb Jahre zuvor bei einem Zugunglück ums Leben gekommen.
    Die junge Frau hatte noch keine weit reichenden Lebensziele, sie wollte zunächst in ihrem Beruf Fuß fassen und ausreichend Geld verdienen, damit es für eine eigene Wohnung reichte. Alles Weitere würde sich finden. Angelika legte keinen gesteigerten Wert auf einen großen Freundeskreis, ihre Sorgen und Nöte besprach sie mit einer Freundin, die sie schon seit der Volksschule kannte. Probleme bereitete ihr in erster Linie die Koordination diverser Termine und Verabredungen mit einer Reihe von Männern. Die etwas leichtfertige und lebensbejahende junge Frau wollte sich nicht für einen Partner entscheiden, sie genoss es, umschmeichelt und umworben zu werden.
    Für den 13. September 1966 hatte sie in ihrem blauen Notizbuch vorgemerkt: »Wolfgang, 18.30 h. Konstantinos, 21.30 h, Palantini.«
    Wolfgang Ramstetter wohnte noch bei seiner Mutter. Der 28-Jährige arbeitete nur sporadisch – nämlich dann, wenn seine Mutter verärgert die finanzielle Unterstützung verweigerte. Um nicht in die Verlegenheit zu geraten, wie andere malochen zu müssen, hatte er nach dem schulischen Scheitern vorsorglich auf eine Berufsausbildung verzichtet. Immer wieder war er mit dem Gesetz in Konflikt geraten, hatte sich beim Einsteigen in eine Wohnung oder beim Klauen im Kaufhaus erwischen lassen. Dreimal war er ins Gefängnis geschickt worden, letztmals im Juni 1965. Jetzt stand er unter Bewährungsaufsicht.
    Wolfgang und Angelika hatten sich vor zwei Monaten in einer Bar kennen gelernt, die von einem Freund geführt wurde, der in dem Ruf stand, Frauen »gefügig« zu machen und auf den Strich zu schicken. Wolfgang unterstützte seinen Kumpel dabei, wenn es sein musste. Angelika war das egal. Eifersüchtig wurde sie nur, wenn es keine Hure war, mit der sich ihr Freund abgab. Dann kam es regelmäßig zu heftigen und lautstarken Auseinandersetzungen, die nahezu übergangslos in wilde Versöhnungsorgien mündeten. Obwohl beide es mit der partnerschaftlichen

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