Ich musste sie kaputtmachen: Anatomie eines Jahrhundert-Mörders (German Edition)
entdeckte ein städtischer Arbeiter zufällig den Leichnam, als er in den »Försterbusch« ging, um dort auszutreten. Eine eiligst gebildete Mordkommission der zuständigen Kripo Recklinghausen nahm die Arbeit auf. Am Tatort bot sich den Beamten ein Bild des Grauens: Die Leiche lag 15 Meter vom Eduard-Weitsch-Weg entfernt unter einem Baum, rücklings, das Gesicht leicht nach links geneigt. Die Brombeersträucher neben der Toten waren in einer Breite von 30 bis 40 Zentimetern niedergetreten. Der Unterkörper war nackt, ein anthrazitfarbener Mantel, ein schwarzer Wollrock und ein weißer Halbunterrock waren bis zur Hüfte hochgeschoben. Teile des hellblauen Schlüpfers hingen in einem Brombeerstrauch. Zwischen den Füßen lag ein schwarzer Schuh. Der Oberkörper war durch die Kleidung völlig bedeckt.
Gravierende Abwehrverletzungen waren nicht zu erkennen, lediglich an der linken Hand fanden sich geringfügige Schürfwunden am Nagelbett des Daumens und an der Oberseite des Zeigefingers. Auch die Beine waren äußerlich unverletzt. An der linken Halsseite entdeckten die Beamten eine drei mal zehn Zentimeter große flächige Hautrötung sowie mehrere Hautkratzer, die vom Kinn bis zum Ohr reichten. Die Kopfhaut wies kleinere Verletzungen mit dezenten Blutabrinnspuren auf.
Außer einer angedeuteten, etwa 50 Zentimeter breiten Schleifspur am rechten Fuß der Leiche konnten keine Hinweise gefunden werden. In den beiden Tagen zuvor waren wiederholt gewitterartige Regenschauer niedergegangen, das feuchte Herbstwetter hatte dem Mörder in die Hände gespielt.
Der Leichnam wurde noch am selben Abend im Gerichtsmedizinischen Institut der Universität Münster obduziert. Bei der äußeren Besichtigung wurden unter anderem zahlreiche »punkt- bis mohnkorngroße Blutaustritte« an den Oberlidern, den Augenbindehäuten und der Mundschleimhaut dokumentiert. Im Inneren des Körpers fanden die Sachverständigen »vielfache Blutungen im Muskel- und Bindegewebe des Halses, insbesondere im Bereich des Kehlkopfes«, darüber hinaus »punktförmige Blutungen auf dem Lungenfell und dem Herzüberzug«. Als Todesursache wurde »gewaltsame Einwirkung gegen den Hals durch Würgen« festgestellt.
Ein für die Ermittlungen bedeutsamer Befund ergab sich bei weiterführenden Untersuchungen: Im Gebärmutterhals und im Scheidensekret waren mehrere »vollständig erhaltene Samenfäden vorhanden«. Die Ermittler hofften, dem Mörder über dessen Blutgruppenzugehörigkeit näher zu kommen.
Und ein Verdächtiger war schnell ausgemacht: Wolfgang Ramstetter. Der vorbestrafte Gauner und Zuhälter war zweifelsfrei der letzte Begleiter der Ermordeten gewesen, zudem hatte ein Kellner des Lokals »Alfredo« ausgesagt, es sei an dem Abend zu einem »heftigen« Streit zwischen beiden gekommen. Und ein winziges Detail am Tatort erschien den Beamten besonders beachtenswert, das Ramstetter belasten sollte. Der Schlüpfer des Opfers war nämlich nicht zerrissen, sondern zerschnitten worden. Ein »ungewöhnlicher« Befund, der zu einem Sexualmord nicht recht passen wollte. Die Ermittler hielten es für lebensfremd anzunehmen, ein »Triebtäter« benutze eine Schere, um die Vagina des Opfers zu entblößen. Vielmehr drängte sich ihnen die Hypothese auf, der Täter habe das tatsächliche Motiv lediglich »kaschieren« wollen – und dabei »nicht richtig nachgedacht«.
Warum Ramstetter seine Freundin umgebracht haben sollte, erschien den Kriminalisten nahe liegend. Entweder hatte er sie im Anschluss an die Auseinandersetzung im »Alfredo« getötet, weil der Streit weiter eskaliert war und er die Beherrschung verloren hatte, oder Angelika Fritz war umgebracht worden, weil sie sich geweigert hatte, für Ramstetter »anzuschaffen«. Und weil er damit gerechnet haben musste, als Freund des Opfers ins Visier der Kripo zu geraten, sollte er einen Sexualmord vorgetäuscht haben, um die Ermittlungen in eine falsche Richtung zu lenken.
Ramstetter wurde vernommen. Sein Alibi: »Angelika sagte mir, dass sie noch zu einer Kollegin musste, etwas abholen. Kurz bevor wir die Kneipe verlassen wollten, fing es stark an zu regnen. Ich schlug ihr vor, von zu Hause einen Schirm zu holen. Als ich nach zehn Minuten zurückkam, war sie aber nicht mehr da. Danach habe ich sie nicht mehr gesehen. Ich bin um kurz vor 22 Uhr nach Hause gekommen.«
Das klang glaubhaft. Dummerweise wollte Ramstetters Mutter die Version ihres Sohnes nicht bestätigen: »Der Wolfgang hat keinen Schirm
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