Ich nannte ihn Krawatte
was hast du da eigentlich gerufen? Du weiÃt schon. Ich kam auf dich zu. Und du hast etwas gerufen. All die Zeit über war ich mir sicher, es war eine Botschaft für mich. Etwas, was ich hören sollte. Etwas, was für mich gedacht war. Was war es?
Ich war verwirrt.
Ist es dir entfallen?
Ich glaube, es war nichts.
Nein?
Wozu es wiederholen?
Vielleicht um â¦
⦠ich sage dir: Es war nichts.
Tatsächlich ging es mich nichts an. Ein Ruf aus der Vergangenheit, er war verhallt. Ob Freiheit, Leben oder Glück, es war nicht länger wichtig. Wir verabschiedeten uns mit einem einfachen Auf Wiedersehen. Man wird sich über den Weg laufen, sagte Kumamoto. Man wird, sagte ich, und pass auf dich auf. Du auch. Für mich. Und damit war er hinter einem breiteren Rücken verschwunden. Er würde nach Hause gehen. Nach Hause. Plötzlich verspürte ich einen groÃen Hunger. Ein Loch im Bauch, rannte ich los. Der Hunger trieb mich an.
114
Wie wir beieinandersaÃen und uns mit Hilfe des Uneigentlichen über das Eigentliche verständigten. Mir wurde bewusst, dass auch Vater und Mutter Hikikomoris gewesen waren. Mit mir im Haus waren auch sie eingesperrt gewesen, da mein Leben an ihrem hing. Vaters spärliche Urlaube hatten sie zu Hause verbracht. Keine Ausflüge ans Meer. Keine Wochenenden in O., Mutters Heimat. Hin und wieder ins Kino, das ja. Im Finstern sitzen. Hin und wieder ins Restaurant. Mit Freunden, die man seit Ewigkeiten nicht gesehen hatte. Hin und wieder für wenige Stunden ins Auto. Einfach losfahren und sich vorstellen, wie es wäre, weiterzufahren. Bis ans Ende der Welt. Dann stehenbleiben und sich sagen: Da ist einer, der uns braucht. Umdrehen. Und zurück. Alle paar Tage zu Fujimotos und einkaufen. Frühstück, Mittag- und Abendessen. Mutter hatte keine der Mahlzeiten jemals ausgelassen. Manchmal war ein T-Shirt dabei gewesen. Ein Paar Socken. Im Winter ein Pullover. Viele Briefe, die ich nicht gelesen, ungelesen vor der Tür zurückgelassen hatte. Ich fragte mich nun, wovon mochten sie gehandelt haben. Vielleicht davon, dass es sie glücklich gemacht hatte, zu sehen, dass im Kühlschrank eine Colagefehlt hatte oder dass die Fliesen im Badezimmer nass gewesen waren. Vielleicht aber auch davon, dass es sie sehr traurig gemacht hatte. Vielleicht davon, dass sie sich für mich schämten. Vielleicht aber auch davon, dass es ihnen schwerfiel, zu verstehen, was mich dazu gebracht hatte, mich vor ihnen zu verschlieÃen. Nach alldem beieinander zu sitzen und uns mit Hilfe des Uneigentlichen über das Eigentliche zu verständigen, war wie ein erstes Aufatmen, nachdem wir alle drei unter Wasser gewesen waren. Das Durchbrechen der Oberfläche. Wir prusteten noch.
Also dann. Ich war aufgestanden. Gute Nacht.
Vater: Das war das beste Spiel, das ich seit langem gesehen habe. Er sprach, ohne aufzuschauen, den Blick auf den Bildschirm gerichtet. Mit der einen Hand umklammerte er sein leergetrunkenes Glas, mit der anderen hielt er sich an der Tischkante fest. Die weiÃen Knöchel verrieten ihn. Verräterische Unbewegtheit. Ein Wort mehr und das Glas in seiner Hand wäre zersprungen.
ANFANG
Dank
Ich bedanke mich bei allen Menschen, die mir während des Schreibens beigestanden haben. Unschätzbar ihre Freundschaft, die, ein lebendiger Beitrag, mit in die Geschichte geflossen ist
.
Ein besonderer Dank an meinen Mann Thomas (ich danke dir für deine Zusprache, deine Geduld, deine Fürsorge), Ojiichan und Obaachan (ich danke euch für viele Sommer voller Glück), Michio, Niken, Ayana und Ryuta (ich danke euch für den roten Faden, der uns über Meilen hinweg miteinander verbindet), Satoshi (ich danke dir für die schönen Erinnerungen an dich), Tobias (ich danke dir für deine Unterstützung), Angela (ich danke dir für dein Epile Spitmek), Barbara und Verena (ich danke euch für Weinviertler Treue), Kathrin (ich danke dir für gemeinsames Singen und Lesen), Lelo (ich danke dir für Cupcakes und Sternenstaub)
.
Gerade dem und der, die ich nicht erwähnt habe, gebührt der gröÃte Dank
.
Literatur bei Wagenbach
Deborah Levy     Heim schwimmen    Â
Roman
Es könnte ein Ferienidyll sein, an der französischen Riviera â wäre da nicht Kitty Finch, die sich in der Villa einnistet und die Lebenshülsen der englischen Familie Jacobs in sich zusammenfallen lässt.
Weitere Kostenlose Bücher