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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Rautenberg
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Kreisklasse.
    Scheiße. Ein Gedanke geistert schon seit Sonntag durch meinen Schädel, und ich drücke ihn immer mit ganz viel Gewalt zurück in die Dunkelheit, damit ich mich nicht mit ihm beschäftigen muss. Ich sag ja, ich schieb gern auf. Aber jetzt kann ich es nicht mehr wegdrücken, jetzt blubbern die Fragen aus allen Gehirngängen gleichzeitig: Liebe ich an Konrad nur Dinge, die etwas mit mir zu tun haben? Liebe ich Konrad nur um meiner selbst willen? Weil ich mich durch ihn schöner, spannender und geistreicher fühle? Liebe ich Konrad wirklich? Oder nur das Gefühl, das er mir gibt?
    Liebe ich Konrad denn überhaupt?
    Mein Herz sagt Ja, mein Verstand sagt Nein, und mein Bauch singt Fettes Brot. Mist, verdammter. Hätte Konrad doch nur die Klappe gehalten.

Cool down
    Samstag, 16 . April, um 09 : 38 Uhr
    Da sind mir wohl neulich ein paar Sicherungen durchgebrannt. Wird ja nicht alles ganz so heiß gegessen, wie es gekocht wird, nicht wahr?
    Während Konrad noch selig im Land der Träume weilt und wie ein junger Hund im Schlaf vor sich hin brabbelt, denke ich noch einmal mit kühlem und ausgeschlafenem Kopf über mein akutes Problem nach. Denken klappt bei mir am besten, wenn ich einer möglichst eintönigen und wenig intellektuellen Tätigkeit nachgehe. Also ziehe ich mir ein paar gelbe Haushaltshandschuhe an, bewaffne mich mit einem sehr großen Küchenmesser in der linken und dem Tortenheber in der rechten Hand und beginne umgehend mit dem Enteisen des Gefrierfachs. Das beruhigt mich. Das befriedigt mich. Enteisen ist gut.
    Dass dem Menschen eine gewisse, nun ja, Neigung zum Schlechten naheliegt, ist ja keine Neuigkeit. Schlechte Dinge merkt man sich immer leichter als gute. Ich kann neun Komplimente hören und eine Kritik, und ich werde am Ende des Abends garantiert an der Kritik rumfrickeln.
    Und in der Liebe? Wenn ich manchmal meinen Mädels von Konrad erzähle, könnte bei ihnen schon der Eindruck entstehen, dass die Beziehung zum Scheitern verurteilt ist. Genau genommen bin ich immer nur am Meckern. Obwohl es mir eigentlich wirklich gutgeht. Also, mit Konrad. Und trotzdem erzähle ich immer nur von den nervigen Sachen. Ist das normal? Sind die anderen auch so? Sind ihre Freunde weniger nervig, oder sind meine Mädels einfach nur echt tiefenentspannt? Erzählen die auch so viel Schlechtes wie ich?
    Wenn ich mir meine Freundinnen so angucke, dann muss ich echt sagen: Hut ab, was die so alles mitmachen! Ich wollte nicht mit denen tauschen. Bei Tine beispielsweise könnte ich mich ewig und drei Tage über die Eigenschaft ihres Freundes aufregen, sich nie zu entscheiden. Da werden selbst einfachste Fragen zum Problem, etwa: » Was kochen wir heute Abend?« Achselzucken. Mir doch egal. Koch, was du willst. » Wollen wir in der Küche oder im Wohnzimmer essen?« Achselzucken. Entscheide du. Mir wurscht. Ich bin ja mal gespannt, was passiert, wenn Tine ihren Stefan irgendwann mal fragt, ob er eine Heirat in Betracht zieht. Achselzucken. Is mir gleich. Und Tine? Die trägt’s mit Fassung: » Wenigstens kommen wir uns so bei Entscheidungen nur selten in die Quere.«
    Oder Cora. Ihr Freund ist an seiner Spielkonsole festgewachsen. Der ist den ganzen Tag am Daddeln, der hört nicht mal auf zu spielen, wenn Cora bei ihm vorbeikommt, wenn Cora ein mehrgängiges Gourmetmenü kocht oder wenn Cora in Strapsen durchs Bild läuft. Der hört erst auf, wenn er sein Level erreicht hat oder ihm jemand den Strom abdreht. Cora findet Marios Zockerei zwar nicht so ansteckend, dass sie im Lara-Croft-Outfit durch die Wohnung flitzt, hat sich aber als Zeichen der Liebe von ihm eine Wii schenken lassen und stattdessen ihre Mitgliedschaft im Fitnessstudio gekündigt. Seitdem spielt sie Tennis vor einem Monitor. Liebe, ich hab es doch gerade vor ein paar Wochen erst festgestellt, macht eben doch blind, blöd und bekloppt.
    Oder nicht?
    Sitze ich hier gerade einem gewaltigen Irrtum auf? Bedeutet Liebe, dass man die Macken des anderen vielleicht nicht vergöttert, zumindest aber lächelnd hinnimmt? Soll ich aufhören, mich über Konrads Terror zu beschweren, stattdessen die Maulwurfshügel mit der Fußspitze beiseiteschieben und tiefenentspannt nur noch jeden dritten Anruf entgegennehmen, anstatt mich über jeden zweiten aufzuregen?
    Mal umgekehrt betrachtet: Auch Konrad wird mich doch nur schwerlich gerade wegen meiner Macken lieben. Die finde ich ja selbst total befremdlich. Den Gefrierschrank zu enteisen, beispielsweise, macht mich

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