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Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen

Titel: Ich nehme alles zurück und behaupte das Gegen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J Rautenberg
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ich mich damit rumquälte, dass Konrad Nadines neue Beziehung querlag, zerbrach er sich schon wegen etwas ganz anderem den Kopf. Hätte er ja auch mal sagen können.

Dito!
    Donnerstag, 7 . April, um 12 : 54 Uhr
    So, jetzt bin ich also an der Reihe. Ich möchte Konrad sagen, dass ich ihn liebe. Zunächst einmal stelle ich mir die Frage, wie ich das machen soll. Denn eines ist klar: Spektakulär muss es sein! Da müssen die Funken sprühen, da sollen sich die Balken biegen, da geht ein Ruck durch Deutschland, wenn Juli Rautenberg ihrem Konrad Paulsen sagt, was er ihr bedeutet!
    Ich denke nach. Spektakulär. Was ist spektakulär? Ein Lied! Ein Lied ist spektakulär. Aber nicht so eine gruselige Interpretation eines bekannten Schlagers wie bei Kai Pflaume. Ich möchte nicht in glitzerndem Fummel auf einer schummrig beleuchteten Fernsehbühne stehen und auf die Melodie von » Every breath you take« ein atonales » Wohin du auch gehst« bügeln. Nein, das muss auch weniger kitschig gehen.
    » Your song« von Elton John ist sehr schön. Stelle ich mir hübsch vor, ich und meine Gitarre unplugged, auf einem Barhocker in einem kleinen Clubkeller, alles dunkel, nur ein Spot auf mir, Rauchschwaden von Zigaretten steigen in die Luft. Schöner Gedanke. Leider spiele ich a) nicht Gitarre und kenne b) keinen Club mehr, in dem man noch rauchen dürfte. Mein Beitrag zum Thema Nichtraucherschutz: Wo bleibt denn da die Romantik?
    Na ja, ich muss ehrlich sein. Ich bin auch nicht gerade die größte Sängerin. Also, ich könnte, wenn ich wollte! Unter der Dusche und alleine im Auto schmettere ich Arien Netrebko’schen Ausmaßes in die Atmosphäre und stelle mir vor, wie es wohl wäre, wenn ich mal bei Popstars mitmachen würde. Beim ersten Casting, so jedenfalls in meiner blühenden Fantasie, stehen Detlef D!, irgendein abgehalfterter Musikproduzent und eine runtergewirtschaftete, B-prominente Musikerin mit Tränen in den Augen auf, so gerührt von meinem Vortrag, dass sie noch nicht einmal mehr klatschen können, halten sich aneinander fest, wankend, mit zitternden Beinen, und D! ruft mit brüchiger Stimme: » Du bist in der Band!« Und während die anderen auf Mallorca das knüppelharte Work-out machen, sonne ich meinen bis dahin längst durchtrainierten Körper schon auf einer der Poolliegen. Ich brauch auch kein totales Make-over mehr, ich bin ja schon ein Star! Eben noch im Minilädchen, jetzt schon auf der Showbühne. Marijke Amado rückt sich ein Schulterpolster zurecht und tupft sich ein Tränchen aus dem Augenwinkel.
    So weit zu meiner Vorstellung. Ich wäre mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit eine großartige Sängerin, wenn ich mich nur mal mit schnödem Gesangsunterricht, Atemübungen und Bühnenperformance beschäftigte. Oder wenn ich schlank wäre. Oder irgendwie anderweitig talentiert.
    Bin ich aber nicht. Trotzdem kein Grund, eine Schmonzette von Police zu singen. Oder überhaupt ans Singen zu denken.
    Also nichts mit Musik. Vielleicht ein Gedicht?
    Ich fange mal an. Die Reimmaschine im Internet spuckt mir drei Wörter aus, die sich auf » Konrad« reimen: Fahrrad, Dampfbad, Schwimmbad.
    Das ist doch scheiße. So kann ich nicht arbeiten.
    Du allein, mein Konrad,
    ich liebe dich wie Fahrrad.
    Nee, das geht nicht. Aber vielleicht könnte ich eine versteckte Kritik in meine Liebeserklärung einbauen?
    Ich liebe dich, mein Konrad,
    putz du doch mal das Duschbad.
    Irgendwie haut mich das alles noch nicht so vom Hocker. Aber es muss sich ja auch gar nicht reimen! Viel postmoderner sind doch ohnehin unreimige Gedichte. Ich google mich durch die Lyrik des 20. Jahrhunderts. Der einzige Dichter, den ich da überhaupt kenne, ist Paul Celan. Ich lande bei der Todesfuge. Ist jetzt auch nicht gerade ein erheiternder Text. Erich Fried läuft mir bei der Recherche auch noch über den Weg, aber der ist mittlerweile so abgenudelt, das kann ich Konrad nicht antun. Außerdem verbinde ich jedes zweite Gedicht mit einem meiner Exfreunde, weil schon mal verwendet. Nee, geht gar nicht. Ich kann vielleicht Erich Fried kopieren, aber nicht mich selbst.
    Aus dem gleichen Grund fallen auch die großen prosaischen Liebeserklärungen der Geschichte raus. Der kleine Prinz ist die Diddlmaus der Weltliteratur. Janosch ist was für die Leute, denen nach Weißt du eigentlich, wie lieb ich dich hab nichts Besseres mehr einfällt. Romeo und Julia, Humphrey Bogart und Ingrid Bergman, Sonny und Cher– von jedem hab ich schon mal was geklaut.

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