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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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insistierte. Zum Glück konnten wir uns mit dem Ärzteteam einigen, sodass mich meine Frau täglich von 9 bis 20 Uhr besuchen und begleiten durfte. Nur übernachten durfte sie nicht bei mir. Ein Kompromiss, mit dem ich mich aber arrangieren konnte.
    ■ ■ ■
    Was mir von der Klinik ewig in Erinnerung bleiben wird – neben diesem Tribunal – ist die Glastür am Eingang. Transparent, mit Blick in die Freiheit – aber splitterfestes Panzerglas, ohne Klinke und Knauf, zu öffnen nur über einen Summer, zu dem allein die Pflegekräfte Zugang hatten. Etwas zu sehen und doch nicht erreichen zu können – und sei es etwas so scheinbar Abstraktes wie »Freiheit« – ist für einen Menschen, der gewohnt ist, niemandem Rechenschaft abzulegen, wohin er gehen will, und das plötzlich alles nicht mehr darf, sehr dramatisch. Der Abschied von Rouja war jeden Abend ein Drama. Wenn sie mich verließ, stand ich weinend hinter der Glastür ohne Türknauf, die für mich die Endstation Sehnsucht auf dem Weg nach draußen war. Rouja ging und ich blieb drinnen. Manchmal drehte sie sich um und winkte zaghaft, was sie bald bleiben ließ, um meinen Anblick nicht die Nacht über mit nach Hause zu nehmen und meine Leiden nicht noch weiter unnötig zu vergrößern und weil sie selbst auch weinen musste. Sie ging. Und ich war eingesperrt. Wenn es einen Ausweg aus diesem Loch gab, dann war es die Liebe von Rouja.
    Ich blieb die Ewigkeit von drei Tagen auf dieser Station, sah täglich den Roboter beim Moonwalk auf dem Flur, sah Menschen sich rhythmisch die Stirn gegen die Glastür blutig schlagen, vermutlich weil sie resigniert hatten nach zahllosen vergeblichen Versuchen, nach draußen zu entfliehen. Ich konnte die muskulösen Pfleger in ihren Kitteln bald nicht mehr von den Insassen unterscheiden und ich fraß diese Pillen, die mich zunehmend dumpf machten im Kopf, aber nicht heilten. Die Medikamente, die ich bekam, wurden unter Kontrolle verabreicht, sodass ich keine Chance hatte, sie zu entsorgen. Ich sah täglich, was aus mir werden würde, wenn man mich noch länger zwingen würde, hier zu bleiben. Ich würde bald mit einer imaginären Trillerpfeife im Gang stehen und bei der Essensausgabe den Spielfluss am Leben halten, Vordränglern mit hochgestrecktem Arm die Gelbe und Pillenverweigerern die Rote Karte zeigen.
    Das waren meine realen Ängste, die mich bis heute verfolgen, selbst wenn ich heute darüber leichter sprechen kann und die Menschen in diesen Einrichtungen, Patienten wie Ärzte und Pflegepersonal, mit anderen Augen sehe – bei mir hat dieser Klinikaufenthalt ein Trauma hinterlassen. Meine Situation war durchaus kritisch. Jeden von uns trennt nur das millimeterdünne Papier einer amtlichen Entmündigung von diesem Schicksal. Es ist eine der prägenden Erfahrungen meines Klinkaufenthalts, wie schnell wir unser Selbst und unsere Freiheit verlieren können, wenn wir zur falschen Zeit am falschen Ort und in die falschen Hände geraten.
    Ich ging in den Widerstand, denn ich wollte hier raus. Jeder Patient bekam einen Wochenplan mit Therapiestunden und Gruppensitzungen. Aber ich weigerte mich, daran teilzunehmen. Ich war nicht in der Lage, beim Frühstück zu helfen oder an der täglichen Besprechung teilzunehmen, ich weigerte mich, von meinen Problemen zu erzählen, und ich wollte keine Fingerübungen ausführen in der Ergotherapie. Ich wollte nicht stricken lernen, ich war Hochleistungssportler, gewohnt, jeden Muskel und jede Bewegung meines Körpers zu beherrschen, und hätte bei einer Flucht jeden dieser bulligen Pfleger locker stehen lassen. Ich wollte auch nicht an den Ausflügen teilnehmen, zu groß erschien mir die Gefahr, draußen erkannt zu werden. Ich sah das Foto bildhaft vor mir: Rafati Arm in Arm mit dem Robotermann und einem Pfleger und die Überschrift dazu: »Irre – Rafati in der Klapse!« Nein, ich weigerte mich dazuzugehören. Ich weigerte mich, in dieser Gemeinschaft aufzugehen. Ich war im Widerstand. Es war zu keinem Zeitpunkt Verachtung dieser Menschen, ich spürte tiefes Mitleid – viel stärker war mein Schock über die Verhältnisse, in denen ich mich wiederfand, und die höllische Angst, so zu werden wie sie.
    Meine Krankheit hatte begonnen, Roujas bisheriges Leben komplett zu verändern. Wegen ihrer täglichen Klinikbesuche hatte sie inzwischen mit ihrem Arbeitgeber vereinbart, dass sie ihren Vertrag auf unbestimmte Zeit ruhen ließ, bis eine Besserung in meinem Zustand eingetreten wäre. Ihr Chef

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