Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)
blutige Detail wurde in den Berichten ausgebreitet, und schuld daran war auch die Pressekonferenz von Theo Zwanziger, der zwar die Bitte ausgesprochen hatte »Ersparen Sie mir Details«, fast im gleichen Atemzug aber nicht mit einer detaillierten Schilderung der Ereignisse im Hotelzimmer gegeizt hatte: »Richtig ist, dass er in der Badewanne lag und natürlich auch viel Blut zu sehen war.« Mit dieser Aussage lieferte er eine Steilvorlage für die Medienöffentlichkeit, die sich nun mit Inbrunst auf mein Privat- und Berufsleben warf, um dort irgendwo ein entlarvendes Indiz oder gar kriminelle Hintergründe für meine unverzeihliche Tat ans Licht zu zerren. Sämtliche DFB-Skandale der vergangenen Monate wurden als mögliches Motiv meiner Tat herangezogen. Meine Person stand im Mittelpunkt von Vermutungen über eine neuerliche Einflussnahme der Wettmafia im deutschen Fußball, angeblich nicht beglichene Steuerschulden, Ärger in meinem ausgeübten Beruf in der Bank – sogar bis hin zur Alkoholsucht.
Was mich am meisten entsetzte: Die Berichterstattung und die Debatten in den Medien und Internetforen verlagerten sich von der Diskussion um den Leistungsdruck in der Bundesliga komplett weg in meinen privaten Bereich. Kurze Zeit später erschienen Schlagzeilen, die meinen Gerechtigkeitssinn vollends entfachten, in denen es hieß, die Motive würden in einer Krise meiner Beziehung zu Rouja begründet liegen. Zudem waren Informationen über den Inhalt meiner höchst privaten Notizen aus der Nacht über interessierte Kreise an die Öffentlichkeit gelangt.
Schon am Montag hatte die Kölnische Rundschau unter Berufung auf einen hochrangigen Ermittler der Kölner Polizei angedeutet, allein private Probleme seien der Auslöser für meine Tat gewesen. Der Beamte bezog sich dem Bericht zufolge auf die Notizzettel, die in meinem Hotelzimmer gefunden worden waren. »Es geht nicht um Überforderung im Fußball.« Diese kleine Meldung wurde in den folgenden Tagen von fast allen Zeitungen gierig aufgegriffen und ganze Trupps von Reportern begannen zu recherchieren. So las ich zum Beispiel in der BILD folgende Schlagzeile: »Notizen aus Hotelzimmer ausgewertet. Rafati: Selbstmordversuch aus privaten Gründen. Mit dem Fußball hat das Drama um Babak Rafati (41) offenbar nichts zu tun! Tagelang war spekuliert worden, warum sich der Bundesliga-Schiedsrichter das Leben nehmen wollte. Jetzt ist klar: Es sind private und persönliche Gründe, die den Ausschlag gaben. Das erfuhr BILD von den Kölner Ermittlern. Mit dem Sport habe der Suizidversuch nichts zu tun. Dies ergab die Auswertung der persönlichen Notizen, die in dem Zimmer des Kölner Hyatt-Hotels gefunden wurden, in dem Rafati mit aufgeschnittenen Pulsadern gefunden wurde.«
Ich war empört, denn wenn irgendetwas in meiner kollabierten Welt noch intakt war, dann die Liebe zwischen mir und Rouja, die Beziehung zu meiner Familie und meinen Freunden und mein Job in der Bank. Wenn mich dieses Netz nicht aufgefangen hätte – alles wäre anders gelaufen und ich würde hier nicht stehen. Ich war verletzt und verzweifelt, weil diese Falschmeldungen neue Rechtfertigungszwänge und Missverständnisse über mich in Gang setzen würden. Warum ließ man mich nicht in Ruhe? Warum diese völlig unwahre Berichterstattung? Wollte mir jemand bewusst schaden? Versuchte jemand, mit gezielten Gerüchten von seiner eigenen Schuld und den tatsächlichen Gründen abzulenken? Oder war es schlicht nur die Suche der Journalisten nach einer Erklärung für etwas, was mir selbst ja unbegreiflich erschien?
Das Gerücht, allein private Gründe seien mein Motiv gewesen, zog weiter Bahn um Bahn und war für mich allein nicht mehr aus der Welt zu schaffen. Es wurde zusätzlich dankend instrumentalisiert, um gegen Theo Zwanziger Front zu machen, der bereits in seiner Pressekonferenz am Abend der Spielabsage vom »ungeheuren Druck« auf mich als Schiedsrichter gesprochen hatte. Kritiker merkten nun an, Zwanziger hätte äußerst voreilig den Medien und der Bundesliga die Schuld zugewiesen – anstatt abzuwarten, was die tatsächlichen Motive seien. Ich las Zeitungskommentare wie diesen: »In einem ganz anderen Licht erscheint der Selbstmordversuch von Babak Rafati, wenn man Informationen aus sogenannten gut informierten Kreisen Glauben schenken darf. Denn dann war es nicht übermenschlicher Druck durch seine Schiedsrichtertätigkeit, sondern ein schwerwiegendes privates Problem, das den 41-Jährigen zu seiner
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