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Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition)

Titel: Ich pfeife auf den Tod!: Wie mich der Fußball fast das Leben kostete (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Babak Rafati
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weigerte ich mich, das Haus tagsüber zu verlassen.
    Nur noch im Dunkeln war ich bereit zu einem Spaziergang, nicht einmal die Nachbarn sollten mich sehen. Als die Situation bei uns in der Wohnung wieder einmal sehr angespannt war, konnte mich Rouja überzeugen, einen kleinen Spaziergang zu unternehmen. Wegen der fortgeschrittenen Jahreszeit war es schon dunkel draußen, kaum einer würde mich erkennen, was mich nur wenig beruhigte – zusätzlich trug ich unter dem Mantel noch eine Kapuzenjacke und ich verbarg mein Gesicht darin wie Rocky vor dem schwierigsten Fight seines Lebens. Dann gingen wir durch unsere Straße hin und her, ich fühlte mich, als sei ich ein Gefängnisinsasse beim Hofgang.
    Und tatsächlich, ich war gefangen. In meiner Wohnung und in meinen negativen Erinnerungsschlingen. Mein Zustand verschlimmerte sich. Die krankhaften Gedanken zeigten die ersten wahrnehmbaren Veränderungen und griffen meinen Körper an. Mein Zerfall war atemberaubend. Meine Familie sah das natürlich und versuchte mich schonend mit dem Gedanken vertraut zu machen, dass sie Angst um mein Leben hatte und die Verantwortung für mich nicht länger tragen konnte. Alle Familienmitglieder rieten mir, mich in professionelle und stationäre Hilfe zu begeben, damit mir geholfen werden konnte. Sie würden mich, sagten sie, auch bis ans Ende der Welt begleiten, wenn dies erforderlich wäre. Ich wollte aber nicht zurück in eine Klinik. Warum wollten sie mir das antun und über meine Wünsche und Gefühle so einfach hinweggehen? Damals verstand ich nicht, dass sie es nur gut meinten und mich nicht der erkennbaren Gefahr einer erneuten Selbsttötung aussetzen wollten.
    Die Angst vor der Klinik, ja und auch die Angst vor mir und dem, was in mir geschah, ließ mein Leben sinnlos erscheinen. Die Angst schnürte mir im wahrsten Sinne des Wortes die Luft ab, sie blieb mir plötzlich immer wieder einfach weg. Ich, der dreimal die Woche 12.000 Meter Lauftraining absolviert und in jedem Bundesligaspiel eine Laufleistung von 10 bis 15 Kilometern erbracht hatte, ich, der fit und durchtrainiert gewesen war, musste plötzlich wie ein 70-Jähriger nach Luft schnappen, zweimal, dreimal hintereinander. Dabei gähnte ich unkontrollierbar, nicht entspannt, nicht weil ich durch meine Schlaflosigkeit übermüdet war – ich bekam einfach nicht mehr genügend Sauerstoff in meinen Blutkreislauf. Ich merkte ja selbst, dass ich nicht mehr in die Spur kam und dringend Hilfe brauchte. Ich versprach Rouja, mich zusammenzureißen, an mir zu arbeiten und einen anderen Psychologen zu suchen – aber für eine ambulante Therapie. Wir hatten einen Entschluss gefasst und sahen mit etwas mehr Hoffnung in die Zukunft.
    ■ ■ ■
    Doch nur eine Nacht später wurde uns allen mit aller Härte klar, dass ich keine Zeit mehr zu verlieren hatte. Ich war wieder unter Strom, unterwegs auf meiner Kachelpiste. Ich machte mir wieder viele Gedanken und mein Gehirn drohte zu platzen, weil ich einfach keinen Ausweg fand aus all den Problemen, die mich wie eine Schrottpresse mit tonnenschwerem Druck zu einem Paket zusammenzupressen schienen. Was sollte ich tun? Wer oder was würde mir aus dieser hoffnungslosen Situation noch heraushelfen? Was sollte aus Rouja und mir werden? Ich fühlte mich verloren, ich ertrug das alles nicht mehr und wieder erschien mir ein rasches Ende als der alleinige Ausweg.
    Ich wollte nicht mehr, ich hatte Rouja aus dem Schlaf gerissen und jetzt saß sie aufgelöst im Bett, weinte und versuchte mich zu beruhigen. Aber ich war nicht mehr zu beruhigen, jedes Geräusch löste andere Ängste in mir aus. Wenn ein Auto vorfuhr, wenn die Tür unten im Hausflur zuschlug, wenn Schritte durchs Treppenhaus hallten, dachte ich, dass man mich in die Klinik abholen wollte. Überall witterte ich Gefahren, fühlte mich bedroht und verletzlich – selbst meine Wohnung hatte ihre Schutzfunktion verloren. Ich war hin- und hergerissen zwischen Verzweiflung und Wut, ich war wütend auf mich, meine unsinnige Tat und die Menschen, von denen ich mich in diese ausweglos erscheinende Situation getrieben fühlte. Ich überlegte, welche Sünden ich nur begangen hatte, ob ich etwa selbst andere Menschen verletzt oder beleidigt hatte, dass ich jetzt auf Weisung eines höheren Strafgerichts unter solch höllischen Qualen büßen sollte. Worin lag meine Schuld an dieser Zertrümmerung? Immer wieder fragte ich Rouja, welches Bild sie von mir hätte. Ob ich ein so schlechter Mensch sei, dass

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